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Die Gewinnerinnen im Heiligen Krieg

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Wer sind sie? Wer sind all die Frauen, die sich dazu entschließen, in den „Heiligen Krieg” zu ziehen?

Im Zuge meiner Recherchen bin ich auf eine Studie des Institute for Strategic Dialogue gestoßen, die sich mit dem Phänomen radikalisierter westlicher Frauen auseinandersetzt. Sie besagt, dass von “(…) geschätzten 4000 aus dem Westen eingereisten ISIS-Kämpfern 550 davon Frauen sind.”

Ich habe versucht, ein Profil dieser Frauen zu erstellen. Doch dies ist unmöglich, denn jede dieser Frauen hat unterschiedliche Beweggründe, Weltanschauungen, familiäre und sozio-kulturelle Hintergründe, die ihre Reise in den Jihad initiieren. Ich habe versucht zu verstehen, warum sich diese Frauen dazu entschließen, in den Heiligen Krieg zu ziehen, haben sie doch so ein friedliches Leben ,,zuhause”, dachte ich.
Ich stoße auf Gründe, die mir mehr als menschlich und somit durchaus plausibel erscheinen.

Das Gefühl zwischen zwei Kulturen oder auch zwei Religionen leben zu müssen, ist für Jugendliche und junge Erwachsene zweiter oder dritter Generation oft sehr belastend, zumal sie sich ihrer Identität bewusst werden (müssen). Viele muslimische Frauen, die in einer westlichen Gesellschaft aufgewachsen sind und leben, erleben im Zuge des  Erwachsenwerdens Diskrimination von Seiten der Gesellschaft. Diese Erfahrung machen öfters Frauen, die den Hijab oder Niqab tragen, als jene ohne. Diese Erfahrungen resultieren dann in ein Gefühl der Unterdrückung oder emotionaler Frustration. Was folgt, ist Isolation von der Gesellschaft, in der man lebt.

 „Passe ich überhaupt in diese Gesellschaft?“

Nicht zu vergessen ist der Einfluss von Medien. Sie beeinflussen nicht nur, wie oft behauptet wird, das Bild von Muslimen in der Öffentlichkeit, sondern auch die Wahrnehmung der Muslime über sich selbst. Dabei kommt es zu einer neuen Wahrnehmung über sich selbst und das Kollektiv, über welches in den Medien berichtet wird. Bei jungen Menschen kann das zu inneren Konflikten führen.

 „ Ich muss meiner Religion und meinem Herkunftsland treu bleiben.

Neben persönlichen Konflikten spielen Wahrnehmungsprozesse über die Stellung von Muslimen in der Gesellschaft, also auch, wie muslimische Gemeinschaften geschichtlich betrachtet von Seiten der Mehrheitsgesellschaft behandelt wurden bzw. welche Konflikte bestanden. Es können Bilder von misshandelten palästinensischen Menschen oder Videos von Kriegsgefangenen während des Krieges in Bosnien und Herzegowina sein, die in einem/einer jungen Muslim/Muslimin Mitgefühl und die Frage nach Gerechtigkeit auslösen. So entsteht das Gefühl von historisch manifestierter Unterdrückung und Verfolgung von Muslimen weltweit.

Eine Ansammlung aus inneren Konflikten, gemischt mit der Unfähigkeit seine  „Bestimmung“ innerhalb der Gesellschaft zu finden, lässt genügend Raum für das Entstehen eines Individuums, das sich missverstanden und von der Gesellschaft isoliert fühlt. Es bedeutet nicht zwangsläufig, dass Isolation zu Radikalisierung führt, aber Menschen, jungen Frauen, denen genau dieser Anschluss fehlt, finden diesen meist innerhalb religiös-radikaler Kreise.

Ich habe mich gefragt, was eine junge Frau oder ein minderjähriges Mädchen, das im „Westen“ aufgewachsen ist, am Heiligen Krieg fasziniert, wo doch die Lebensbedingungen und –weisen dort so verschieden sind. Vielleicht ist es gerade das „Andere“, das den Reiz ausmacht.

Ist erstmal ein Individuum entstanden, das sich in der westlichen Kultur so gar nicht willkommen fühlt und diese irgendwann sogar abstößt, sucht es all seine Wertvorstellungen und Wünsche in den Gesetzen der Scharia. Doch scheint es gar eine völlige Neudefinition der Weltanschauung zu sein, die der Islamische Staat (ISIS) versucht zu propagieren. Es ist das Gefühl des Willkommenseins in einer ,,utopischen” Gesellschaft, verwaltet durch die Gesetze der Scharia, das diesen muslimischen Frauen den notwendigen Halt gibt.Screen Shot 2015-09-16 at 16.25.28

Viele dieser Frauen werden öffentlich, durch soziale Netzwerke aufgerufen, sich dem IS (Abk. f. Islamischer Staat) anzuschließen, weil sie ,,eine wichtige Rolle in dieser Gesellschaft spielen und es aus islamischer Sicht ihre Pflicht ist, Hilfe zu leisten.”
Es entsteht Vertrauen und Glaube. Glaube in die utopische Mission einer islamischen Gemeinschaft.

Nicht jede.  Viele werden davon überzeugt, ihrem Dasein als muslimische Frau im Islamischen Staat gerecht zu werden.
Via Instagram oder Twitter Accounts führen junge IS-Anhängerinnen Tagebuch. Sie veröffentlichen Gruppenfotos, auf denen “Schwestern” zu sehen sind, posieren vor teuren Autos ausgestattet mit Gewehren, erzählen in kurzen Beiträgen über ihren Alltag und das Dasein als Ehefrau. Es gibt erstaunlich viele Fotos gemeinsam mit anderen Frauen. Unterhalb steht meist ,,Schwester” als Kurzbeschreibung. Diese Bilder bestärken wieder das Zusammengehörigkeitsgefühl und die Schwesternschaft zwischen den Frauen.

Auf anderen Fotos schwärmen sie förmlich von ihren Ehemännern. Manche gedenken den Tod ihres Ehemannes mittels Bild auf sozialen Netzwerken.
Viele von ihnen sind erst pubertierende Mädchen, die gerade erwachsen werden. Andere sind schon junge Erwachsene. Jede von ihnen macht sich auf dem Weg in den IS, um dort eine romantische Begegnung zu erleben. Sie werden entweder verheiratet, verlieben sich, oder verlieren ihren Ehemann im ,,Heiligen Krieg”. Ihre öffentlichen Tagebücher sind überfüllt mit verzierten Collagen, auf denen sie ihre gefallenen Ehemänner betrauern. Was  folgt sind Berichte über das vermeintlich schwierige Leben einer Witwe. Immer wieder zu lesen sind Wörter wie ,,Geduld” und ,,Paradies”, in dem die Witwe ihrem verstorbenen Gatten wieder begegnen wird.


I
ch komme wieder auf die ,,wichtige” Rolle der Frauen im IS zurück. Der Beigeschmack von Propaganda in dieser ganzen Sache ist stark zu spüren. Es scheint vielmehr so, als beschränkt sich die Rolle der Frau darauf, sich auf sozialen Netzwerken zu präsentieren und andere Frauen zum ,,Heiligen Krieg” aufzurufen. Tatsächlich beeinflussen derartige Darstellungen im Internet das Bild vom Islamischen Staat. Auf den ersten Blick scheinen Schwesternschaft, Zugehörigkeit, ein erfülltes islamisches Leben eine Halt (oder ganz einfach gesagt, Liebe) Suchende zu begeistern. Es ist der Reiz, das ,,Andere” und in fast allen Fällen die Verlockung, die Frauen in den ,,Heiligen Krieg” zieht.

 

Link zur Studie: http://icsr.info/wp-content/uploads/2015/06/Till_Martyrdom_Do_Us_Part_Gender_and_the_ISIS_Phenomenon.pdf   

 

 

 

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