CEAI

Zu Ramadan kommen d‘Leut z‘am

R A M A D A N     K A R I M  . . .  5 MuslimInnen im Gespräch

http://www.alhamra.at/shop/kinder/ramadankalender-aus-pappe/

Ramadan im Trend? Ramadan ist für viele Muslime und Musliminnen längst ein lebendiger Teil ihres Lebens als muslimische ÖsterreicherInnen, was sich auch anhand der damit einhergehenden Traditionen abbilden lässt, wie als überspitztes Beispiel der Tafelspitz und die Vanillekipferl zum Iftar. Nach dem Vorbild des traditionellen Adventkalenders gibt es seit einigen Jahren auch Ramadan-Kalender mit 30 Türchen anstelle der bekannten 24. Besonders spannend ist der Umstand, dass bereits bekannte europäische Chocolatiers, die im Winter für den nötigen Nachschub an Weihnachtsschokolade sorgen, besagte Ramadan-Kalender produzieren und zur entsprechenden Zeit die lokalen Läden beliefern.

Photo: Junfu Han, Detroit Free Press https://www.freep.com/story/news/local/michigan/wayne/2018/05/07/michigan-ramadan-trees-islamic-dearborn-muslim/582403002/

In den USA sind in diesem Jahr sogar „Ramadan mood-shaped trees“ im Trend. Es kann also gesagt werden, dass die Vorfreude auf Ramadan durch die landeseigenen Traditionen eigene Züge gewinnt. Selbst Jahrhunderte alte Traditionen wie etwa die des fanus-Ramadan (‚Ramadan-Laterne‘), welche in arabisch-geprägten muslimischen Gesellschaften demgegenüber als das typische Ramadan-giveaway gilt, werden graduell durch neue Impulse erweitert oder gar abgelöst.

Neben kommerziellen Trends zeigt sich im Ramadan noch ein gesellschaftlicher, denn das gemeinschaftliche Leben angesichts des oft nicht mitspielenden Alltags kann leicht zu einer logistischen Herausforderung werden. Obwohl die Mühlen des Alltags hingegen der gefühlten Sanduhr des Fastentages rascher zu mahlen scheinen als einem lieb ist, wird auf das Unterbringen des geselligen Fastenbrechens mit der Familie oder den Freunden nur ungern verzichtet. Zu Ramadan wird sich einfach die Zeit genommen, obwohl sich selbige sonst als ein besonders seltener Gast im Alltag unseres hektischen Lebens erweist. Das tägliche Brot wird so zu einem täglichen Fest am Ende des Tages. 

Fanus-Ramadan

So bunt und unterschiedlich die Realisierungen von Religiosität und dem spirituellen Leben unter den MuslimInnen sind, so sind auch die Gewichtungen der  Bedeutungsebenen, die im Fastenmonat zusammenkommen, differenziert gelagert. Während für die einen das Maximum an Spiritualität an oberster Stelle steht, so steht für die anderen das ausgiebige Fastenbrechen mit den Liebsten mit Marathoncharakter ganz vorne. Und für die fünf MuslimInnen?

Fünf persönliche G‘schichten über’s Fasten in Österreich

Laut dem „Forschungsbericht: Demographie und Religion“ des ÖIF aus dem Jahr 2017 hat sich der Anteil der MuslimInnen in Österreich zwischen der letzten Volkszählung im Jahr 2001 und dem Jahr 2016 verdoppelt. Die Hochrechnung schätzte durch die Zuwanderung von Personen aus den Kriegsgebieten Syriens und dem Irak (u.a.) bis in das Jahr 2017 einen Anteil von etwa 8% MuslimInnen in Österreich. Der Integrationsbericht BMEIA aus dem Jahr 2010 hingegen schätzte, dass etwa die Hälfte aller MuslimInnen in Österreich, die Staatsbürgerschaft haben und damit auch bereits viele davon in Österreich aufgewachsen, wenn nicht bereits in zweiter Generation geboren sind. Ramadan ist für die einen somit längst ein lebendiger Teil ihres Lebens als muslimische ÖsterreicherInnen, was sich auch anhand der damit einhergehenden kontextbezogenen Trends abbilden lässt. Andererseits wird das bestehende, bereits besonders bunte Mosaik an kulturell geprägten religiösen Traditionen der hiesigen muslimischen Community, durch jene der dazugekommenen MuslimInnen bereichert. Der folgende Beitrag bietet daher einen kleinen Einblick in persönliche Zugänge zum Fastenmonat Ramadan. Drei der folgenden Gespräche wurden mit Personen mit sogenannter ‘Fluchtgeschichte’ geführt. Die beiden anderen Gespräche wurden mit MuslimInnen geführt, die bereits in Österreich geboren wurden. Inwieweit sich die Verständnisse, Traditionen und Haltungen zum Fastenmonat unter den InterviewpartnerInnen tatsächlich unterscheiden, zeigt uns der folgende Beitrag. Sara, Anna, Tarek, Bassam und Mohamed (Namen wurden geändert) gewähren uns dahingehend einen kleinen Einblick in ihre persönlichen Zugänge zu dieser besonderen Zeit im Jahr:

Sara (aus Syrien) „Ramadan bringt immer die Leute zusammen“

Was bedeutet Ramadan für dich allgemein?
Ramadan erinnert mich an meine Familie und an unsere Treffen zum gemeinsamen Essen. Diese Zeiten waren für mich die besten Zeiten. Ramadan bringt immer die Leute zusammen.

Wie hast du dich in deiner Heimat auf Ramadan vorbereitet?
In meiner Heimat ist Ramadan ein ganz normaler Monat. Wir gehen normal arbeiten und alles nimmt seinen gewöhnlichen Lauf, da wir uns bereits an das Fasten gewöhnt haben. Abends essen wir zusammen. Wir denken auch mehr aneinander.

Was waren für dich typische Ramadan-Traditionen?
Ich musste immer die ganze Familie um 3:00 in der Nacht stören und sie aufwecken, damit sie etwas vor dem Fasten essen.

Nun bist du ja in Österreich. Wie hat sich Ramadan für dich verändert- wie verbringst du Ramadan nun?
Ramadan ist schwierig in Österreich und ich vermisse meine Familie. Hier ist der Tag länger und ich habe viel Zeit nachzudenken und zu arbeiten. Seitdem ich hier bin, habe ich bis jetzt Ramadan immer mit meinen Freunden verbracht und es war super!

Hat sich die Bedeutung des Fastenmonats durch die Fluchterfahrung für dich verändert?
Für mich bleibt die Bedeutung von Ramadan gleich, aber ich muss schon sagen, dass ich nun öfters an meine Heimat denken muss.

Was wird zu Ramadan bei dir gekocht?
Am liebsten Salat-tabula!

Anna (aus Wien) „Der Fastenmonat ist für mich mit keinerlei Zwängen, Verpflichtungen und Qualen verbunden.“

Was bedeutet für dich Ramadan?
Der Fastenmonat Ramadan bedeutet für mich einerseits Körperbeherrschung und Disziplin, Mitgefühl für Arme und Bedürftige sowie ein Gefühl der Nähe zu Gott und andererseits ein Monat des geselligen Miteinanders mit Familie und Freunden.

Was ist dir in diesem Monat besonders wichtig?
Da mein Partner Nichtmuslim ist und nur zeitweise solidarisch mitfastet, ist für mich im Fastenmonat besonders wichtig im Familien- und Freundeskreis Freude, Liebe und Speisen zu teilen, unabhängig ihrer Religionszugehörigkeit oder Religiosität. Der Akt des Fastens stellt für mich eine persönliche Beschäftigung mit meinem Körper und Seele und meine persönliche Beziehung zu Gott dar. Das gemeinsame Fastenbrechen hingegen ist ein gesellschaftlicher bzw. familiärer Anlass, wo ein Austausch mit Mitmenschen erfolgt und das Gegenüber im Zentrum steht.  

Gibt es Traditionen, die du in diesem Monat besonders pflegst?
Seit Ramadan 2017 führe ich einen Ramadan-Kalender (ähnlich einem Adventskalender), den ich für 30 Tage mit Süßigkeiten befülle. Zusätzlich schmücke ich meine Wohnung und koche jeden Abend eine Speise (oftmals aufwendigere Rezepte als an anderen Tagen im Jahr). Eine weitere Tradition ist das regelmäßige auswärtige Fastenbrechen in Restaurants, das ich regelmäßig mit Freunden durchführe.

Was machst du anders als deine Eltern in deiner Kindheit?
Im Fastenmonat steht für mich Familie und Freunde, die Beschäftigung mit meinem Körper und Seele, sowie die Nähe zu Gott im Mittelpunkt. All das beruht für mich auf freiwilliger Basis und kann auch je nach Stresssituation und Laune variieren. Der Fastenmonat ist für mich mit keinerlei Zwängen, Verpflichtungen und Qualen verbunden. Diesen Ansatz versuche ich auch in meiner eigenen Familie umzusetzen. In meiner Kindheit und Jugend hingegen, standen oftmals ritualisierte Abläufe, die ich als sehr nervend empfunden habe, im Vordergrund: das (verpflichtende) gemeinsame Gebet, das (verpflichtende) gemeinsame Essen vor Fastenbeginn bei Morgendämmerung, die gemeinsamen (verpflichtenden) Koran-Runden (Erläuterungen des Koran), verpflichtende zusätzliche Gebete. Bei all diesen Abläufen unterlag ich Kontrollen und es folgten Bestrafungen, wenn ich mich diesen Abläufen entzog.

Bassam (aus Syrien) „Gegessen wird in Österreich das, worauf ich Lust hab‘ und wann ich Lust hab‘!“

Was bedeutet Ramadan für dich und wie hast du dich dafür in deiner Heimat vorbereitet?
Natürlich hat Ramadan in meiner Familie eine große Rolle gespielt, aber für mich persönlich ist das weniger wichtig. Ich hab mich in meinem Heimatland nicht so wirklich dafür vorbereitet, aber meine Eltern schon. Sie haben sich jedes Jahr darum gekümmert. Das Essen bzw. das  Nicht- Essen hat dabei eine große Rolle gespielt. Säfte waren sehr wichtig beim Fasten.

Nun bist du ja in Österreich. Wie hat sich Ramadan für dich verändert – wie verbringst du Ramadan nun?
Jetzt zurzeit ist mir das Fasten eigentlich gar nicht wichtig, weil ich persönlich auch nicht wirklich religiös bin. Eigentlich habe ich auch schon in Syrien nicht gefastet. Das hat also nichts mit Österreich zu tun. Gegessen wird in Österreich das worauf ich Lust hab‘ und wann auch Lust hab‘!

Tarek (aus Wien) „Ramadan bedeutet Sorge, Spiritualität, Selbstbeherrschung, Solidarität, Rausch“

Was bedeutet Ramadan für dich?
Familie. Aber auch Sorge, Spiritualität, Selbstbeherrschung, Solidarität, Rausch.
Sorge, es dieses Jahr nicht zu schaffen, vorzeitig abzubrechen und meine Gefühle nicht unter Kontrolle zu haben.
Spiritualität: Zu Ramadan nehme ich die Gebete ernster und spreche mehr zu Gott. Ich gehe mehr in mich und höre mehr auf meine innere Stimme.
Disziplin: Ich reguliere mein Essen, ich esse bewusster, weniger, ich rauche nicht, versuche nicht zu fluchen. Rausch: Während ich faste, funktionieren meine Sinne viel besser. Ich rieche alles intensiver, ich höre besser, ich nehme meine Umwelt ganz anders war.

Was ist dir in diesem Monat besonders wichtig?
Dass es immer genug Joghurt, Datteln und Milch zuhause gibt.

Gibt es Traditionen, die du in diesem Monat pflegst?
Ich esse jeden Abend Joghurt und Gurken vor dem Schlafengehen. Ich breche mein Fasten mit drei Datteln und einem Glas Milch.

Was machst du anders als deine Eltern?
Wir  laden nicht so viele Leute ein und schenken dem Essen nicht mehr so viel Bedeutung. Wir haben auch nicht so viele Süßspeisen, wie damals bei meinen Eltern.

Mohammed (aus Syrien) „Ramadan ist das Monat der Barmherzigkeit und des Vergebens“

Was bedeutet Ramadan für dich allgemein?
Ramadan ist der Monat der Barmherzigkeit und des Vergebens. Während dieses Monats sollte man Sünden vermeiden und Gottes Nähe durch Gottesdienste suchen.

Wie hast du dich in deiner Heimat auf Ramadan vorbereitet?
Ich habe mich einerseits geistig vorbereitet. Dabei war mir die aufrichtige Absicht vor Gott besonders wichtig, sowie die Absicht auf das Vermeiden von Sünden und die Vollbringung von guten Taten andererseits.

Was das die Vorbereitungen innerhalb der Familien betreffen, so haben wir uns alle gemeinsam darauf als Familie eingestimmt. Wir redeten viel über die Wichtigkeit des familiären Zusammenhalts und des Kontakts. Auch das Lösen von Problemen und Streitigkeiten war uns in dieser Zeit sehr wichtig.

Was war dir in deiner Heimat zu Ramadan besonders wichtig bzw. was waren für dich typische Ramadan-Traditionen?
Das Zusammentrommeln aller Familienmitglieder, das einander Einladen zum Fastenbrechen, das Aufstehen mitten in der Nacht, um das suḥūr (nächtliches Einnehmen von Speisen und Flüssigkeit zur Vorbereitung auf den nächsten Fastentag) einzunehmen und das tarāwīḥ- Gebet in der Moschee.

Nun bist du ja in Österreich. Wie hat sich Ramadan für dich verändert – wie bringst du Ramadan nun?
Ich verbringe Ramadan so als wäre ich in der Heimat. Auch wenn ich die Wärme, den direkten Kontakt und die Nähe der Familie sehr vermisse.

Was ist so besonders an diesem Monat?

Das spirituelle Auftanken

Der Monat Ramadan gilt für MuslimInnen als eine Zeit des „Auftankens“. Dieses Auftanken intendiert die bewusste Widmung vieler Beziehungsebenen,  die in unserem raschen Alltag sonst oft in den Hintergrund gedrängt werden. Hierzu zählt auf primärer Ebene die Stärkung des spirituellen Lebens bzw. die Vertiefung der Gott-Mensch-Beziehung, sowie die Auseinandersetzung mit sich selbst und der Überwindung, dem Verzicht und der Durchbrechung alltäglicher Gewohnheiten und Privilegien. Mit dem Verzicht geht Wohltätigkeit einher, deren Vorbild die Haltung des Propheten zugrunde liegt:

„Der Gesandte Gottes war der Großzügigste unter allen Menschen, und den Höhepunkt seiner Großzügigkeit erreichte er im Ramadan (…). Wahrlich, der Gesandte Gottes war mit den Hergeben von guten Dingen schneller als der unhaltbare Wind“ (Saḥīh al- Buḫārī)

Die Geselligkeit

Da der Mensch im Islam als ein soziales Wesen berücksichtigt wird, fordert der Fastenmonat neben Genanntem auch eine bewusstere Stimulation des sozialen Lebens. Das (Er-)Leben der ramadantyptischen Aktivitäten, wie etwa das Fastenbrechen oder das ramadanspezifische tarāwīḥ- Gebet abends nach dem Fastenbrechen, sowie das nächtliche Mahl (saḥūr) vor dem Sonnenaufgang, als Vorbereitung auf den kommenden Fastentag, sollten möglichst in gemeinschaftlicher Atmosphäre stattfinden. So wird das gemeinsame Gebet  zu einem in der Gemeinschaft erfahrenen, spirituellen Erlebnis bzw. so wird das Fastenbrechen im engen familiären Kreis zu einem in der Spiritualität gegründeten Festmahl. Der Fastenmonat ist daher eine Zeit, die mit viel ‚Quality-time‘ mit der Familie und Freunden verbunden wird.

Der Anlass

Der Monat Ramadan ist der 9. Monat des islamischen Mondkalenders. Im letzten Drittel dieses Monats (~610 n. Chr.) wurden Muhammad diese ersten fünf Verse des Qurʼān (Sura 96: 1-5) offenbart:

„Lies im Namen deines Erhalters, der erschaffen hat- den Menschen erschaffen hat aus einer Keimzelle! Lies- denn dein Erhalter ist der Huldreichste, der (den Menschen) den Gebrauch der Schreibfeder gelehrt hat- den Menschen gelehrt hat, was er nicht wusste!“ (Übersetzung aus Muhammad Asad, Die Botschaft des Koran).

Vor diesem Hintergrund wird folgendes von den MuslimInnen gefordert:

„Es war der Monat Ramadan, in dem der Qurʼān (zuerst) von droben erteilt wurde, als Rechtleitung für den Menschen (…), mit dem das Wahre von dem Falschen zu unterscheiden ist. Darum, wer immer diesen Monat erlebt, soll ihn durchweg fasten; aber wer krank ist oder auf einer Reise, (soll statt dessen die gleiche) Anzahl von anderen Tagen (fasten). Gott will, dass ihr Erleichterung habt, und will nicht, dass Ihr Härte Erleidet (…)“ (Sura 2:185, Übersetzung aus Muhammad Asad, Die Botschaft des Koran).

In diesem Sinne wünscht CEAI einen gesegneten Ramadan. Möge Euer Fasten von Gott angenommen und Eure Bittgebete erhört werden!

Leave a Comment

Your email address will not be published. Required fields are marked *

I accept that my given data and my IP address is sent to a server in the USA only for the purpose of spam prevention through the Akismet program.More information on Akismet and GDPR.

This site uses Akismet to reduce spam. Learn how your comment data is processed.

Share This