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Wahlen, Wählen, MuslimIn

Der Duft süßer Mehlspeisen die Nase kitzelnd, die Stimme der ORF-Moderatorin die Ohren besingend. So saß auch ich, wie alle anderen, gespannt vor dem Fernseher und wartete auf das Ergebnis der Wiener Landtagswahlen. Überraschung: Alles blieb wie bisher. Ich hätte eigentlich genug über die Inszenierung eines Kopf-an-Kopf Rennens, mit dem Ziel der Lukrierung von Nicht-WählerInnen Stimmen zu sagen. Wie gut diese Strategie gegriffen hat, verstand ich erst vergangene Woche, als ich mit meiner Kollegin und dem Kameraexperten unterwegs auf der Favoritenstraße im zehnten Wiener Bezirk unterwegs war.

Wir wollten wissen, was MuslimInnen über die Wahlen denken. Gründe fürs Wählen oder Nicht-Wählen, Hoffnungen, Wünsche, Erwartungen und Ängste. Einige der Antworten möchten wir nächste Woche in einem Video präsentieren. Sie reichten von “Ich liebe dieses Land, ich muss wählen” bis hin zu “Wählen ist im Islam verboten, aber die Situation jetzt mit Strache.. ich weiß nicht”. Scheinbar ist die Angst vor massiven Einschränkungen in der freien Ausübung der Glaubenslehren – vor allem bei Frauen – dann doch ein Grund die These des vermeintlichen Wahlverbots im Islam zu verwerfen. In Summe waren es doch sehr spannende Antworten die wir bekommen haben. Überrascht waren wir doch über die Politikverdrossenheit junger MuslimInnen. Diese scheinen noch pessimistischer als die älteren Herren und Damen zu sein. Aber wie kommt es jetzt zu diversen Erwartungs-oder Abwehrhaltungen? Wie wählen MuslimInnen eigentlich und warum?

An dieser Stelle möchte ich mal kurz erörtern, wie es mir und vielen anderen jungen MuslimInnen in jungen Jahren erging. “Wen soll ich den wählen Mama/Papa”, war eine Frage, die nicht mehr als ein Mal im Leben eines jungen Muslims gestellt wird. Die Antwort: “Partei X, Vorzugsstimme an Y, weil er Muslim ist und unsere Interessen vertritt”. Diese Antwort war faktisch in Stein gemeißelt. Jahrelang gingen wir zu den Urnen und haben Jahr für Jahr uns für jene Partei entschieden die uns praktisch in die Wiege gelegt wurde, die in der Tat in den Moscheevereinen und in “Migrantenkreisen” wohl am Aktivsten war (was auch auf deren politisches Geschick zurückzuführen ist; böse Zungen mögen etwa behaupten, dass man bewusst einen ‘Quotenmuslim’ mit reingenommen hat). Über die Leistung der jeweiligen Person oder der betreffenden Partei wussten wir wenig. Wir wussten lediglich, dass dadurch “unser Überleben” gesichert sei. Schon allein die Kategorie “Muslim” reichte als Legitimation für die jeweilige Person, unabhängig von deren Laufbahn und Werdegang. Diese Einstellung kann sich nur dann in dieser Form manifestieren, wenn es im Vorhinein, im Bewusstsein unserer Eltern, ein gewisses Gefühl der Benachteiligung eingestellt hatte. Ansonsten würde man ja nicht jemanden wählen, der die eigenen Interessen ‘verteidigt’.  (Zwischenfrage, welche sind denn das eigentlich?). Ein anderes Motiv etwa wäre der religionsspezifische oder ethnisch-solidarischer Zugang: Ich wähle ihn/sie, weil er/sie Muslim/in bzw Landsmann/-frau ist. Dieses Muster kennt man etwa von der türkischen oder jüdischen Gemeinde, die sehr erfolgreich die eigenen Leute ‘hochpushen’ und positionieren. Ganz egal welches Motiv es sein mag, das Ergebnis ist dasselbe: Dass wir, die – wie man gerne sagt – “Migrantenkinder”, unhinterfragt uns vorgeschriebene Personen und Parteien gewählt haben. Deshalb glaube ich auch, dass bis heute noch, die Stimmen aus der muslimischen Community jene sind, auf die man sich als Partei/PolitikerInnen am meisten verlassen kann. Nicht weil die muslimische Community eher dazu neigt Fehler zu verzeihen, sondern weil der Anspruch an den Glaubensbruder/die Glaubensschwester jener ist, die Community zu vertreten. “Damit wir eine Stimme in der Politik haben”, so wurde es mir oft gesagt. Ob das immer so bleiben wird? Vielleicht?! Fakt ist, die junge Generation, die hier aufgewachsen ist, ist lediglich und höchstens zu Beginn des offiziellen Wahlalters auf die Meinung der Eltern angewiesen. Mit dem Älterwerden wird man für gewöhnlich auch reflektierter. Man nimmt das Angebot der unterschiedlichen Parteien und InteressenvertreterInnen wahr und beginnt seine Konsequenzen hinsichtlich des eigenen Interesses zu ziehen. Natürlich gibt es auch andere, die ein Leben lang jene Partei wählen, die man schon als Jugendlicher gewählt hat. Dies ist aber in der Mehrheitsgesellschaft nicht anders. “Weil ich sie schon immer gewählt habe”, ist nicht nur ein ‘muslimisches’ Argument. Und dennoch glaube ich, dass die Generation die hier aufgewachsen ist, tatsächlich dazu in der Lage ist, Leistungen und Fehlleistungen sachlich zu beurteilen und ihre Entscheidung aufgrunddessen zu fällen. Diese Einstellung wird man auch der nächsten Generation weitergeben. War die ältere Generation dadurch gekennzeichnet, dass ihr Wahlverhalten sehr “Personen- bzw. Parteiorientiert” war, also eher auf die Person/Partei und was man glaubte, dass diese für einen machen werden, so ist die neue Generation eine, die PolitikerInnen und Parteien so bewertet wie es sich gehört, nämlich nach Leistung. Selbstverständlich fällt der “Solidaritätsgedanke” mit der eigenen Ethnie/Religion bestimmt nicht zur Gänze weg.

Parteien und PolitikerInnen sind also dazu angehalten, durch das Erbringen von spürbaren Leistungen auf sich aufmerksam zu machen, statt die religiöse/ethnische Komponente in den Vordergrund zu rücken. Ansonsten kann es in der Zukufnt schwierig werden, muslimische – vor allem junge – Wählerstimmen zu lukrieren.

Zum Wahlergebnis selbst ist nicht viel zu sagen. Unweigerlich schaute ich am Tag danach alle Menschen auf der Straße an und versuchte zu erahnen, wen sie wohl gewählt hatten. Vor allem im Hinblick auf das nicht überraschende Wahlergebniss einer ganz bestimmten Partei (die von fast einem Drittel der Wahlberechtigten gewählt wurde) konnte ich gar nicht anders als durchzuzählen: “1, 2, 3.. AHA… 1,2,3… AHA!…”

 

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