CEAI

Nachdenken, akzeptieren, verändern

“Wer sagte, dass diejenige, die laut lacht, unanständig wäre?”
DENK NACH, AKZEPTIERE, VERÄNDERE DICH!
siehe:
https://www.behance.net/gallery/11505053/Meen-Homma-Stereotype-Egyptians
http://www.kalimatmagazine.com

“Nachdenken, akzeptieren, verändern” … ist der Slogan einer post-revolutionären Parallelrevolutionskampagne. Eine von unzähligen anderen Versuchen das Leben der ägyptischen Frau oder zumindest für nachkommende Generationen, etwas annehmbarer zu gestalten. Wieso Parallelrevolution: am 25.01.2011 forderte ein beträchtlicher Anteil der ägyptischen Gesellschaft mehr als nur den Sturz des, zu jenem Zeitpunkt etwa 59 jahrelang [und noch immer aktuell]   wütenden, Militärregimes. Ein entscheidender und in der Öffentlichkeit gern überhörter und belächelter Teil der Gesellschaft sehnt sich nach einer Revolution in jenen Bereichen, welche bisher im tabuisierten blinden Winkel der gesellschaftlichen und politischen Interessen dahinvegetierte: veraltete und degradierende Traditionen und Stereotypen gegenüber Frauen – auch von Frauen anderen Frauen gegenüber – welche unabhängig von sozialem Status und Bildungsgraden, die Vorstellungen von Anstand und Sittlichkeit in der Gesellschaft bestimmen und den Alltag der Frauen um ein vielfaches erschweren. Freiheiten der Frauen werden auf diesem Wege gekonnt als kontrollierbar gestaltet.

Aussagen wie „das gehört sich nicht für eine junge Frau – was sollen die anderen denn über uns denken?“, „du bist anders als dein Bruder! Nur unanständige Mädchen und Frauen kommen spät nach Hause“ oder „Du bist 30 und noch nicht verheiratet? Jetzt kannst du froh sein, wenn dich überhaupt noch jemand nimmt“, sind allen Ägypterinnen bestens bekannt, wenn sie nicht direkt als treue Weggefährten bis zum Zeitpunkt ihrer Befreiung aus der elterlichen Bevormundung die Gültigkeit behalten: die Ehe.  
Genau hier knüpft  die Kampagne „meen homma“ (dt. wer sind die? [die diese Normen  bestimmen]) an und versucht mit rhetorischen Gegenfragen in Form von simple gestalteten  Postern entgegenzuwirken. Im Fokus steht der Versuch an das kritische Reflektieren von destruktiven Frauenbildern zu appellieren. Wer behauptet das alles überhaupt?  Wem dienen diese Stereotypen und was haben sie der Gesellschaft bisher gebracht? Was sie aber vor allem verursachen, sorgt zumindest auf internationaler – weniger auf nationaler – Ebene, für Empörung und stößt, zu Recht, auf weitreichendes Unverständnis:

Derart unverarbeitete und adynamische Parameter, gesellschaftlich festgefahrener Sittlichkeitsvorstellungen, wie jene in der Kampagne problematisiert, sind maßgebend für die stillschweigende Toleranz gegenüber Gewalt an Frauen in Ägypten. Im Jahr 2008 veröffentlichte „The Egyptian Center für Women`s Rights“ eine Studie welche festhält, dass mehr als vier Fünftel der Frauen in Ägypten tagtäglich sexuelle Übergriffe erleiden und diesen gegenüber ohnmächtig erlegen sind. Das Fundament bildet diesbezüglich die Tatsache, dass bis heute keine erfolgreichen, strafrechtlichen Maßnahmen zur Eindämmung dieser Missstände durchgesetzt werden konnten. Die Übergriffe reichen vom Hinterherpfeifen und anzüglichen Blicken bis hin zu massiven  körperlichen Übergriffen und Vergewaltigungen. Berichte von Opfern implizieren häufig die Ausgangslage, dass die Opfer selbst für ihr Leid verantwortlich gemacht werden – argumentierend und rechtfertigend in Anlehnung an besagte Vorstellungen von Anstand und Sittlichkeit.

Darüber hinaus befindet sich Ägypten, den Daten der UNICEF nach – Stand 2015 – im Vergleich zu anderen afrikanischen Ländern immer noch an der Spitze, mit etwa 91% an genitalverstümmelten Frauen landesweit. Ebenso sind Zwangsheirat und vor allem die Verheiratung minderjähriger Mädchen in den ländlichen Gebieten, zwar immer noch in dunklen Zahlenbereich bewegend, aber dennoch Gang und Gebe.

Betrachtet man die Lage Ägyptens an seinem diesjährigen 5. Jahrestag der ägyptischen Revolution, vor allem in Bezug auf die vergebliche Forderung  der Bevölkerung nach Brot, Freiheit und Gerechtigkeit, lässt es sich nur erhoffen, dass sich die initiierenden Schritte zur Realisierung einer gleichgestellten Gesellschaft nicht gleichsam dämonisieren lassen wie die Forderungen der BürgerInnen nach Essentiellem, wie etwa Menschenwürde und das Recht auf Existenz trotz differenzierter politischer Einstellungen und heterodoxer Weltanschauungen.
Die politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen seit dem 25.01.2011 untermauern sehr klar die Relevanz der inneren Bereitschaft gegenüber tiefgreifenden Veränderungen. Veränderungen, welche vor allem das Überdenken von all jenem erfordern, was bisher das individuelle Sein geprägt und geformt hat. Die ägyptisch-amerikanische Autorin und Frauenrechtlerin Mona Eltahawy hält in ihrem Buch Headscarves and Hymens: Why the Middle East Needs a Sexual Revolution klar fest:  “The battles over women’s bodies can be won only by a revolution of the mind”.

Ranja Ebrahim

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