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Perspektivenwechsel: Schulalltag in Los Angeles

Eines vorweg, auch in den USA sind Lehrer “verwöhnte Angestellte”, die zu viel Ferien haben und viel zu viel verdienen. Im Vergleich zu Österreich mag ich behaupten: Ja, wir österreichischen Lehrer und Lehrerinnen sind verwöhnt und jammern zu viel.

Eine öffentliche Schule in einem sozial schwachen Viertel von Los Angeles, Kalifornien: Schulbeginn ist um acht Uhr, doch Lehrer müssen spätestens 15 Minuten vor Beginn in ihren Klassen für Eltern zur Verfügung stehen – jeder Lehrer hat seinen eigenen Klassenraum, der auch gleichzeitig als Büro verwendet wird. Variable Dienstzeiten gibt es nicht. Jeder Lehrer, der eine Krankenversicherung von der Schule bezahlt bekommen möchte, muss von 07:45 bis 16:30 in der Schule sein. Das sind mehr als acht Stunden. Übrigens werden Pausen nicht bezahlt.
Jeder Lehrer muss fünf Lehreinheiten halten, bekommt zwei Stunden für die Vorbereitung bezahlt und muss nach Unterrichtsschluss mindestens eine außerschulische Aktivität im Ausmaß von einer Stunde anbieten. Das Einstiegsgehalt in Kalifornien liegt bei $25 USD brutto. Mit den kalifornischen Lebenshaltungskosten bleibt am Ende des Monats nicht viel übrig. An der genannten Schule haben 90% der Lehrer noch in der Samstagsschule gearbeitet und so viel Zusatzaktivitäten angeboten, dass sie bis 18:30 in der Schule blieben. 30% der Lehrer sind sonntags auch noch Taxi gefahren.
Als Lehrer muss man Nerven aus Stahl und Geduld ohne Grenzen haben, denn eine normale Klassen besteht aus 29-34 Kindern in der Middle und High School.

Spätestens jetzt wird einem bewusst, warum in den USA Multiple Choice Tests so beliebt sind. Bei so großen Klassen würde das Verbessern sonst zu viel Zeit der ohnehin schon knapp eingerechneten Vorbereitungszeit kosten. Die Tests werden maschinell ausgewertet. Das heißt ein Lehrer weiß erst nach Rücksprache mit den Eltern oder den Schülern, wo die Schwächen oder die Stärken der Schüler liegen. Noten werden nach Eingabe der erreichten Punkte von einer Software berechnet und der Lehrer hat nur beschränkten Einfluss auf die Bewertung (z.B. hat der/die SchülerIn Legasthenie, wird ein Feld angeklickt und dementsprechend werden die Punkte anders gewertet, ohne zu wissen, ob diese Note aufgrund der schlechten Rechtschreibung oder tatsächlich wegen der Einschränkung zustande gekommen ist). Einige Eltern kennen diese Tücken der Software und lassen ihren Kindern ADHS attestieren, damit diese bessere Noten und mehr Zeit für ihre Tests bekommen. Das ist auf den Zeugnissen jedoch nicht vermerkt und verschafft deshalb den Schülern bessere Möglichkeiten, einmal an guten Colleges zu studieren.

Lehrer in Kalifornien werden jährlich evaluiert und bekommen je nach Leistung einen neuen Vertrag. (Leistung = Notendurchschnitt einer Klasse. Hier helfen Lehrer gerne nach, um ihren Vertrag für das kommende Schuljahr zu sichern.) Hat man die Zusage für das kommende Jahr, stehen auch schon die Sommerferien vor der Tür: unbezahlte sechs Wochen von acht Wochen Sommerferien. Die meisten Lehrer lassen sich von ihren 10 Monatsgehältern so viel abziehen, damit sie in den Sommermonaten das Gesparte ausbezahlt bekommen. Mehr als die Hälfte der Lehrer unterrichten in den Sommerferien vier Wochen an der “Summer School”, eine Art Nachhilfe für Schüler. Die letzten zwei Wochen müssen Lehrer in die Schule zurück. In dieser unterrichtsfreien Zeit müssen sie acht Stunden am Tag in der Schule sein, um ihre Pläne vorzubereiten und ihre Klassenzimmer für das neue Schuljahr herzurichten.

Alle Lehrer, die ich in den USA kennengelernt habe, können nicht glauben, wie Lehrer in Europa jammern können. So wie auch in Europa werden die skandinavischen Schulen als die “Vorbildschulen” gesehen. Dennoch wird in den Augen amerikanischer Lehrer in Europa zu wenig auf Schüler aufgepasst. Ganz einfach begründet: Es gibt keine Schulbusse, Schüler verwenden öffentliche Verkehrsmittel oder kommen ohne Begleitung alleine in die Schule. Schulen haben kein Sicherheitspersonal (jede Schule in den USA hat Sicherheitspersonal). Allerdings kann diese Angst einfach begründet werden. In einem Jahr gab es an einer kalifornischen Schule folgende Vorkommnisse: Schule war im Lockdown (niemand darf die Schule betreten, alles wird verdunkelt. Grund war eine Schießerei 30m vor der Schule), Lehrer durften nach 18 Uhr nur mit Sicherheitspersonal zum Parkplatz. Es kam zum Polizeieinsatz in der Schule wegen Bombendrohung und das Gebäude wurde evakuiert.
In ganzen fünf Jahren an einer österreichischen Schule war das Thema Sicherheit nie ein Problem.

Einen Religionsunterricht, wie man ihn in Österreich kennt, gibt es nicht – auch keinen Ethikunterricht. Doch es gibt ein Fach “Life Science”. Hier lernen Schüler über den Umgang mit anderen Menschen und sprechen über Themen, die Jugendliche beschäftigen. Man kann dieses Fach bis zu einem gewissen Grad mit einem Ethikunterricht in Deutschland vergleichen, allerdings bleibt die Lehre über Religionen aus – das übernimmt der Geschichtsunterricht.

1 thought on “Perspektivenwechsel: Schulalltag in Los Angeles”

  1. Thomas Gruber

    Dann sollen sie alle nach Österreich kommen, denn wir brauchen hier mehr Lehrerinnen:))

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