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Interview mit Alfred “Ali” Wondratsch

Der FPÖ-Bezirksrat Alfred Wondratsch konvertierte im Juni 2012 zum Islam und lebt seitdem nach den Regeln des Islams. Dennoch sieht er zum Zeitpunkt keinen Widerspruch zum Bezirksratsmandat. Der Islam steht jedoch für ihn “an erster Stelle”.

CEAI: Sie sind 2012 zum Islam konvertiert. Was war der Auslöser?
Wondratsch: Vor dem Übertritt zum Islam spielte Religion keine große Rolle in meinem Leben. Dann überlebte ich nur knapp einen schwerwiegenden Arbeitsunfall im Jahr 1992, als ich im Rahmen einer beruflichen Tätigkeit als Notfallsanitäter ein neugeborenes Baby entbunden hatte. Ich wusste, dass Gott noch etwas mit mir vor hatte. So bekam ich über die Religion mehr oder weniger durch Bekannte einen ersten Überblick, der mich später zum Selbststudium bewegte. Nach etwa einem Jahr durchforsteter Literatur kam der Wunsch den Islam anzunehmen. Im Islamischen Zentrum (IZ) wurden mir grundlegende Dinge beigebracht, wie man zB die rituelle Reinheit erlangt, die für das Gebet notwendig ist, oder wie man die Basmala spricht. Als ich schlussendlich im Juni 2012 bereit war das Glaubensbekenntnis (Shahada) auszusprechen, überkam mich ein befreiendes Gefühl.

CEAI: Was ist für Sie die Bedeutung des Islams? 
Wondratsch: Der Glaube an Gott, seine Propheten, seine Bücher, seine Engel, den Jüngsten Tag, sowie die Vorherbestimmung, ob sie gut ist, oder auch schlecht.

CEAI: Die FPÖ spielt oft mit dem Heimatbegriff. Was bedeutet Heimat für Sie?
Wondratsch: Früher war ich dem FPÖ-Heimatgefühl etwas näher als heute. Für mich war immer Österreich meine Heimat. Jetzt als Muslim sehe ich die ganze Welt, die Gott erschaffen hat, als meine Heimat. Es gibt vieles, was ich an Österreich schätze, beispielsweise die Natur, die Geschichte und die Architektur. Früher hörte ich auch klassische Musik. Mittlerweile höre ich fast ausschließlich Quran-Rezitationen.

CEAI: Die FPÖ polarisiert sehr mit gezielten Wahlplakaten. Was empfinden Sie bei einem Wahlslogan wie “Daham statt Islam” oder “Heimatliebe statt Marokkanerdiebe”?
Wondratsch: Das ist furchtbar. Es tut weh, so etwas zu lesen. Solche Plakate gehören nicht hierher. Man muss aber auch klar sagen, dass sich die Bezirkspolitik weitgehend von der Bundespolitik unterscheidet. Deshalb muss ich es als Bezirksrat nicht befürworten, wenn auf bundespolitischer Ebene eine derartige Stimmung gemacht wird.

Alfred Wondratsch, geboren 1972 in Wien Währing als Sohn einer Arbeiterfamilie. Nach dem Polytechnikum machte er eine Lehre zum Kfz-Mechaniker, anschließend arbeitete er als Notfallsanitäter. Heute ist er FPÖ-Bezirksrat und in der Sozial-, Zivilschutz-, Verkehrs-, Kultur- und Benennungskommission.

CEAI: Könnte die FPÖ stärker sein ohne Ausländerpolitik? Warum nicht weg damit?
Wondratsch: Ja, das frage ich mich auch. Wenn sie diese fremdenfeindliche Politik einfrieren würden, könnten sie vielleicht die absolute Mehrheit im Parlament bekommen.

CEAI: Apropos Ausländerpolitik? Politisch spielt man mit der Angst vor Flüchtlingen. Muss man vor Flüchtlingen Angst haben?
Wondratsch: Nein! Bei mir in der Arbeit stoße ich oft auf Flüchtlinge. Ich arbeite 48 Stunden in der Woche und in meiner Freizeit helfe ich oft hilfsbedürftigen Menschen. Einige Arbeitskollegen haben mich tatsächlich gefragt, warum ich meine Freizeit dafür opfere.

CEAI: Der Islam hat nichts mit Gewalt zu tun. Wann könnte er gefährlich werden?
Wondratsch: Islam bedeutet “Frieden machen” und Hingabe. “Frieden machen” heißt, dass der Gläubige mit sich selbst und mit seiner Umgebung in Frieden leben soll (Das Gute gebieten und das Verwerfliche verbieten). Hingabe drückt sich in der Annahme des Willen Gottes aus. Das zeigt auf, dass es grundfalsch ist, wenn im Namen der Religion getötet wird. Wenn so etwas über die Medien falsch kommuniziert wird, kann das zur Katastrophe werden. Gewalt und Menschenverachtung sind niemals akzeptabel. Gewalt höchstens zum eigenen Schutz oder in einer Notsituation. Wer hier das Maß übersteigt, hat den Islam sichtlich fehlinterpretiert.

CEAI: Haben Sie Angst vor Terrorgefahr?
Wondratsch: Nein, momentan nicht. Doch die Gefahr besteht weiterhin, dass Jugendliche manipuliert werden und für Terrornetzwerke angeworben werden. Das gehört nicht hierher!

CEAI: Welche Gefahr geht von IS-Sympathisanten aus?
Wondratsch: Der IS verletzt Grund- und Menschenrechte und missbraucht den Islam zu eigenen, politischen Zwecken. Der IS hat nicht das Recht, Menschen umzubringen, nur weil diese nicht an Gott glauben. Im Islam heißt es: „irre geleitet, oder recht geleitet“. Bevor ich zum Islam konvertiert bin, gehörte ich auch zu den erstgenannten und somit hätte ich nach dem Standpunkt des IS getötet werden müssen. Jeder Mensch, der noch kein Muslim ist, hat bis zum Zeitpunkt, wo die Sonne im Westen aufgeht, die Möglichkeit die Botschaft zu verstehen und den Islam als Religion anzuerkennen. Am jüngsten Tag werden die Menschen ohnehin zur Verantwortung gezogen werden. Ich sehe aber eine Gefahr bei Jugendlichen, die keine Zukunftsperspektive haben, sich für Terrornetzwerke rekrutieren zu lassen.

CEAI: Oft heißt es auch von Seiten ihrer Partei, dass Radikalisierung in Hinterhofmoscheen geschehe. Wie kann man dem begegnen?
Wondratsch: Ich denke, dass die Sprache eine wichtige Grundlage ist. Man sollte in Moscheen gehen, in denen Deutsch gesprochen wird bzw. es sollte mehr Moscheen geben, in denen die Predigt auf Deutsch übersetzt wird. Somit wird auch dem Staat mehr Transparenz geboten. Im Islamischen Zentrum (IZ), in einer Moschee im 10. Bezirk und im AKH wird die Khutba (die Freitagspredigt) auf Deutsch übersetzt. Es ist enorm wichtig zu verstehen, was in der jeweiligen Moschee gesprochen wird. Möglicherweise ist die Gefahr vor Radikalisierungen in solchen Moscheen, in den einen andere Sprach gesprochen wird, höher.

CEAI: Viele Moscheen werden aus dem Ausland finanziert. Das neue Islamgestz sieht das Verbot von Auslandsfinanzierungen vor. Was sagen Sie dazu?
Wondratsch: Ein derartiges Verbot finde ich unnötig. Ob die Finanzierung aus dem Ausland kommt, ist irrelevant. Was ich problematischer finde, ist die inhaltliche Steuerung aus dem Ausland. Viele Vereine werden in ihrem Denken von außen gesteuert. Islamisch gesehen sollte jeder seine eigene Meinung haben und vertreten können.

CEAI: Wie soll Österreich mit dem Islam umgehen?
Wondratsch: Es muss von beiden Seiten behutsam vorgegangen werden. Gerade die Muslime dürfen nicht in eine aggressive Verteidigungsrolle fallen. Das ist nicht zielführend. Kritik wird es immer geben. Deshalb soll man sich aber nicht der Opferrolle annehmen. Aber auch von Seiten der Gesellschaft wünsche ich mir mehr Toleranz, wenn nicht Akzeptanz. In diesem Sinne sollte auch die Regierung mit gutem Beispiel vorangehen.

CEAI: Ist der Islam mit der Demokratie kompatibel?
Wondratsch: Es gibt Demokratie auch im Islam. Abu Bakr oder Omar und Osman wurden zum Beispiel demokratisch gewählt. Eine Anleitung für alle Lebenslagen findet man im Quran und in der Sunna des Propheten.

CEAI: Abschließend, was wünschen Sie sich für die Politik in Österreich?
Wondratsch: Ich wünsche mir eine Politik der Mitte und Nächstenliebe, so wie es auch im Islam vorgezeigt wird. Ich halte nichts von Extremen, wie extrem rechts oder extrem links.

 

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