“Values like respect, welfare or justice you find in all religions”
Vorweg halte ich fest, es regnet seit Stunden – bis auf vereinzelte schwächere Phasen – wie aus Kübeln. So unglaublich wichtig dieser Regen für das Land und die Saat ist, so vollkommen unbrauchbar ist dieser für einen Nachmittagsspaziergang durch die Stadt. Nichtsdestotrotz sind wir im Sonnenschein aufgewacht und machten uns nach einem bekömmlichen Frühstück auf, unser heutiges Vormittagsprogramm zu absolvieren: Wir suchten die Cadi Ayyad Universität in Marrekesch auf.
Auf unserem Weg dorthin passierten wir Horden von Studenten, die gerade aus der Fakultät für Recht, Wirtschaft und Sozialwissenschaft strömten. Diese Fakultät schauten wir uns gleich von Innen an und bemerkten direkt im Eingangsbereich ein sagenhaftes Chaos bei der Administration. Wird’s wohl etwas gratis geben 😉
Nach kurzer Auskunftseinholung bei der falschen Fakultät gelangten wir in ein etwas abseits gelegenes Gebäude, hinter einem großen Zaun abgeschirmt von der Armee, die ringsherum sogar mit Wasserwerfern auf potentielle Unruhen gewappnet zu sein scheint.
Hier war sie also, die Fakultät für Literatur und Geisteswissenschaften, wo unter anderem das Institut für Islamische Studien beheimatet ist. Khaled traf dort den Professor für islamische Rechts- und Hadithwissenschaft mit dem Schwerpunkt auf kontextbezogener Fiqh, namens Abd El Latif Ait-Ami. Es wurde über den allgemeinen Studienablauf, das Engagement der Studierenden, Master- und Doktorprogramme gesprochen, wobei zu Letzterem gesagt werden muss: ein wahrhaftiger Schatz von Wissen wurde hier angesammelt, denn alleine an diesem Institut wurden in den letzten paar Jahren über 100 Doktorarbeiten zum Thema “Muslimische Minderheiten in Europa” in der arabischen Sprache verfasst. Diesbezüglich wurde über einen Zugang zu diesen Arbeiten diskutiert, der jedenfalls im Auge behalten werden muss. Ein weiteres Thema war die arabische Sprache als Voraussetzung für das Studium der islamischen Theologie. Hier berichtete der Professor, dass sie langjährige Erfahrung mit muslimischen ostasiatischen Studierenden haben, wofür ein Spezialprogramm für die Lehre der arabischen Sprache initiiert wurde. Der Professor zeigte sich über unseren Besuch höchst erfreut und stellte ein weiteres Treffen nächste Woche vor dem Abflug in Aussicht – natürlich “So Gott will (Inshallah)”! Dabei soll mit weiteren Professoren, so Gott will auch Professorinnen, DoktorandInnen und Studierenden mögliche Kooperationen mit unserem Institut ausgelotet werden. Am Schluss drückte noch von einem der vielen auf den Professor wartenden Studenten den Auslöser meiner Handykamera. Nach einer herzlichen Verabschiedung machte ich mich auf den Weg mit Studenten ins Gespräch zu kommen.
Eine Gruppe StudentInnen versammelte sich vor einem Flip-Chart umgeben von Zeitschriften und Bücher früherer Kommunisten sowie von Zitaten von Che Guevara und Marx.Auch Noam Chomsky war hier vertreten. Jedenfalls fragte ich einen Studenten, warum er hier sei und worum es konkret gehe. Er meinte, dass dies eine Studentenvertretung sei, die für mehr Rechte und faire Bedingungen eintreten und die Forderung der gleichen Behandlung von Arabern und Berbern offen ausspricht. Konkret gehe es um Kritik an den Rektor.
Einen weiteren Studenten, den ich befragen wollte, sprach leider kein Englisch. Als Khaled ihm meine Absicht mitteilte, machte er sich schleunigst auf den Weg, um mit Sara zu uns zurückzukehren. Sie studiert englische Literatur und ist ebenfalls in einer Studentenvertretung tätig. Mich interessierte ihre Meinung über islamische Prinzipien für ein koexistenzielles Leben in einer friedlichen Gesellschaft und sie antwortete:
“So, I wanna be clear from the beginning: I think that all the human relations or social relationships must not be based on a certain religion, they must be based on human values. Like we have already a human value that we share together all over the world apart and outside of religion. We share the mutual respect, accepting and respecting each other for coexistance.
The religion might be sometime an obstacle in the sense of human relationship, so we can put it and decide from our heart that our believe is belonging to us. And what we share is more ensuring and more like a good collegue than religion as it is humanity. I mean, we are already all brothers and sisters because of humanity, so related to that it is our own choice and we keep it for ourselve, it is not something like enforced during life.
Values like respect, welfare or justice you find in all religions, from Isalm to Christianity to Buddhism etc., because they are human values, therefore religion is a human thing. So we must understand that religions are about human values.”
Ich dankte für das kurze Gespräch, hoffte, dass die Audio-Datei für den Blog gut genug wäre, und dachte als bald an den nächsten Programmpunkt: Mittagessen! Der Regen setzte ein, sodass die Rückkehr in die Medina vom nordwestlich gelegenen Universitätskomplex eher eine nasse Angelegenheit wurde. Am Platz vor dem berühmten Viertel “Bad Doukkala” kauften wir noch die Bustickets für meine morgige Reise nach Casablanca, zur intern. Tagung über “Familiäre Werte im Qur’an”. Der Ticketkauf war rasch vorüber, als Khaled und ich wie von einem Sog durch das Tor, Bab Doukkala, und weiter durch die engen Gassen zur Moschee Bab Doukkala, die bis auf das Jahr 965 n. Chr. zurückdatiert werden kann. Äußerst beeindruckend.
Mit diesen Worten verbleibe ich bis morgen!