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Zwischen Abschiebung und sexuellen Missbrauch

Wie der Alltag im Jugendamt ausschaut, ob man darauf aus ist Eltern ihre Kinder wegzunehmen und wann man an seine eigenen Grenzen kommt erfahren wir hier!

CEAI: Findest du deine Ausbildung wird deinem Berufsalltag gerecht?

Jugendamt-Mitarbeiterin*: Die Ausbildung umfasste viele Facetten und konnte durch die praxisnahe Ausbildung die Absolventen gut auf den Berufsalltag vorbereiten. Durch die verschiedenen Wahlmodule und Pflichtpraktiken konnten bereits erste Erfahrungen im Berufsfeld gemacht werden.

CEAI: Für welche Bereiche ist das Jugendamt zuständig bzw. wer kann sich für was genau Hilfe holen?

Jugendamt-Mitarbeiterin: Genaue Bereiche kann ich gar nicht nennen, weil unsere Arbeit sehr Facettenreich ist. Die Hauptaufgabe sind Gefährdungsabklärungen, darauf folgen dann die Unterstützungsangebote in der Erziehung (Mobile Beratungsangebote), Beratung und Begleitung sind auch ein wichtiger Teil unseres Aufgabenbereiches. Die Eltern können sich bei uns melden, sich beraten lassen und mobile Unterstützungsmöglichkeiten einholen. Bei akuten Kindeswohlgefährdungen müssen wir im Sinne des Kindeswohls rasch Entscheidungen treffen. In extremen Fällen müssen wir als Fachkräfte auch in die elterlichen Rechte eingreifen.

CEAI: Gab es Momente, wo du dich überfordert gefühlt hast? Welche?

Jugendamt-Mitarbeiterin: Es gibt immer wieder Momente, wo ich an meine emotionale Grenzen komme. Bei Fällen, wo sexuelle Übergriffe an Minderjährigen Thema sind, befindet man sich immer in einer emotional sehr schwierigen Situation. Was mich auch extrem mitgenommen hat war die Abschiebung einer Familie.

Nach solchen Fällen/Gesprächen muss jede/jeder gute Möglichkeiten/Ruhepole oder auch Rituale für sich schaffen, um abschalten zu können und die Arbeit nicht mit nach Hause zu nehmen.

CEAI: Gibt es ausreichend Unterstützung und Ressourcen aus staatlicher Seite, um dort zu helfen, wo Hilfe gebraucht wird?

Jugendamt-Mitarbeiterin: Es gibt bundeslandabhängig verschiedene Unterstützungsmöglichkeiten. Ob die Hilfe ausreichend ist? Aus meiner Sicht definitiv nicht! Es gibt immer noch Bereiche welche ausbaufähig sind, bei den angebeteten mobilen Unterstützungsangeboten, sowohl auch bei den stationären Maßnahmen. Während der Pandemiezeit wurden diese ersichtlicher!

CEAI: Manchmal wird das Jugendamt als der böse Wolf gesehen, der nur darauf aus ist etwas „Falsches“ zu finden, um die Kinder wegzunehmen. Was meinst du dazu? Ab wann nimmt man den Eltern das Kind weg?

Jugendamt-Mitarbeiterin: Diese Bilder in der Bevölkerung sind tief verankert. Die Kinder- und Jugendhilfe sieht eine Unterbringung der Kinder als letzte Intervention, wenn keine Veränderungen durch die mobilen Unterstützungsformen und durch die Begleitung der SozialarbeiterInnen erzielt werden können. Wir sind immer bemüht innerfamiliäre Lösungen zu finden und den Verbleib der Minderjährigen in der Familie zu ermöglichen. Erst wenn alle Unterstützungsversuche scheitern und das Kindeswohl weiterhin gefährdet ist führt es zu einer Kindesabnahme. Natürlich wird dieses Einschreiten durch das Familiengericht überprüft.

CEAI: Was passiert mit diesen Kindern dann, wo werden sie untergebracht?

Jugendamt-Mitarbeiterin:

  • – bei kurzfristigen Pflegefamilien
  • – in Krisenzentren
  • – nach den Abklärungsschritten – weitere Unterbringung bei Dauerpflegeeltern oder Wohngemeinschaften, wenn keine Rückkehr zu den Familien erfolgen kann.

CEAI: Möchten Kinder selber mitgehen, oder weigern sie sich (trotz schlechten Umgangs Seiten der Eltern)?

Jugendamt-Mitarbeiterin: Vielen Kindern fällt es natürlich schwer, es gibt auch Kinder welche freiwillig mitgehen. Es wird trotz der schwierigen Situation versucht die Kindesabnahme schonend zu gestalten, um die Kinder nicht zusätzlich zu belasten. Es wird versucht, den Minderjährigen die Situation altersgerecht zu erklären.

CEAI: Hat sich die Arbeit mit Corona verändert? Inwiefern?

Jugendamt-Mitarbeiterin: Viele unserer Klienten wohnen in sehr engen Wohnverhältnissen, durch den Lockdown sind viele Beschäftigungsmöglichkeiten außerhalb des Hauses weggefallen. Die beengten Situationen und fehlenden Ressourcen führten zu Eskalationen innerhalb der Familie. Die Kontrolle durch externen Kooperationspartner viel weg oder minimierte sich. Die Arbeitslosigkeit der Eltern stieg an und daraus resultierenden finanziellen Schwierigkeiten wurden mehr. Durch die Pandemie konnten die gewohnten Abläufe nicht so erfolgen wie gewohnt. Die Hausbesuche bei den Klienten konnten durch die Einschränkungen nicht erfolgen, die Kommunikation erschwerte sich, weil viele Gespräche online oder telefonisch abgehalten wurden. Vieler der Klienten waren mit dieser Umstellung überfordert und waren für die SozialarbeiterInnen nicht greifbar.

Die Situation erschwerte sich auch für die Minderjährigen, welche sich in Wohngemeinschaften befinden. Es konnten zeitweise bei harten Lockdown die Kontakte zu den leiblichen Eltern nicht ermöglicht werden. Diese Situation war auch bei den Pflegefamilien zu beobachten – die begleiteten Kontakte zu den leiblichen Eltern konnten nicht stattfinden. Dies war eine extreme Herausforderung für alle Beteiligten.

*Auf Wunsch anonym.

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