Sule Dursun studierte islamische Religionspädagogik an der IRPA und unterrichtet seit bereits 6 Jahren islamische Religion an Höheren und Berufsbildenden Höheren Schulen.
[quote]Ich bin Kollegin und Freundin, Mentorin, Ansprechpartnerin, wahrscheinlich auch vieles mehr. In den Zeiten, in denen ich als Religionslehrerin in Volksschulen unterrichtete, war ich für einige meiner Schüler auch Yenge, Teyze (Teyze=Tante, Yenge=Schwägerin).[/quote]
Alles, was ich kann, soll, muss und gerne bin. Seit einigen Jahren bin ich als Religionslehrerin tätig. Dass ich meine Arbeit seit vielen Jahren mit Liebe ausübe, hat viele Gründe.
Dadurch, dass ich seit etwa zehn Jahren als Lehrerin tätig bin und bis vor einigen Jahren in vielen Schulen unterwegs gewesen war, kannte ich leider nicht alle Kollegen in der Schule und daher fiel es mir auch schwer, effektiv in der Schule zu arbeiten und eine gewisse Bindung bzw. Zugehörigkeit zu entwickeln. Beispielsweise hatte ich in diesen Schulen jeweils zwei bis vier Stunden Unterricht. Das bedeutete, dass ich sehr wenig Zeit in dieser Schule verbringen konnte. Im Lehrerzimmer vor dem Schultor grüßte ich Kollegen, die ich nicht einmal namentlich kannte. Dennoch fanden immer wieder trotzdem nette Smalltalks statt.
Und es wurden einige dieser Kollegen zu besonderen Menschen in meinem Leben, die immer noch mein Leben bereichern, obwohl unsere Schulwege auseinandergingen.
Seit ungefähr vier Jahren bin ich an zwei Schulen Vollzeit als Lehrerin tätig. Nicht zuletzt sind es auch viele Kollegen, die mir das Lehrerin-Dasein versüßen. Hoffentlich muss ich nicht ausführlich diskutieren, dass ich die einzige islamische Religionslehrerin in meinen Schulstandorten bin. Das bedeutet viel. Als Islamische Religionslehrerin bin ich aktiver Teil des Lehrerteams und spüre das Willkommen Sein innerhalb dieses.
Ich persönlich erlebe nur das Gefühl WIR im Lehrerteam und auch außerhalb des Schulraums im öffentlichen Leben denke ich nicht, dass ich anders behandelt werde, nur weil ich eine andere Religionszugehörigkeit habe oder anders aussehe.
Auch einige Schulabsolventen oder -Abbrecher melden sich nicht selten, wenn Sie einen Ratschlag brauchen oder Probleme haben. Für diese jungen Personen bin ich die Sule Abla (bedeutet so viel wie ältere Schwester). Diese Benennung bedeutet mir viel, weil ich auch von meinen Geschwistern als „Abla” genannt werde.
Mentorin. Auch als Mentorin bin ich gefragt. Ich freue mich sehr, dass es bei diversen Problemen muslimischer Schüler von Seiten der Kollegen oder Direktoren sehr wohl das Interesse besteht, mir eine Rolle als Mentorin zur Konfliktbewältigung anzuvertrauen.
Für viele Schüler bin ich die Hodscham („meine” Hodscha) . Hodscha ist die arabische Bezeichnung für Lehrer oder Gelehrte und ist von meinem Gefühl her mehr von religiöser Prägung im Vergleich zu „Professorin“. Alleine schon, wenn ich diese Bezeichnung zu hören bekomme, erinnere ich mich immer mehr daran, dass ich die Position einer Gelehrten einnehme bzw. seitens meiner Schüler diese Erwartungshaltung durchaus besteht.
Ansprechpartnerin… Besonders zu hochaktuellen Themen bezüglich Islam, wie den IS- Islamischer Staat oder Radikalisierung, bin ich die erste Ansprechpartnerin im Schulalltag. In den Einheiten mit nicht-muslimischen Schülern fühle ich mich nicht in einer Rechtfertigungsposition eingeengt, sondern werde vielmehr von den Schülern gefragt, wie es mir als Muslimin dabei geht. Ich fühle mich einfach … verstanden.
Ein Dankeschön, das ich von einigen nicht-muslimischen Eltern im Nachhinein durch den Klassenvorstand mitbekommen darf, dafür, dass ich als Aufklärerin wirke, ist für mich eine nette Gegenleistung bzw. ein Geschenk, das mich sehr erfreut.
Es gibt immer wieder nette Anlässe, in der weitere Begegnungen mit nicht-muslimischen Schülern stattfinden, wie interreligiöse Feste, Spende-Aktionen, interreligiöse Stunden zu Themen wie Propheten, unterschiedliche Wahrnehmungen über die Gottesbilder, etc. Auch in diesen Einheiten geht es um die Hervorhebung des WIR Begriffes und um das Erreichen gemeinsamer Ziele. Die Unterschiede sind eine Bereicherung. Sie sind nicht trennend sondern verbindend für uns.
Jeden Tag wird mir klar, dass der Lehrerberuf nicht nur ein Beruf ist, sondern ein besonderer Bestandteil meines Lebens ist, der mein Leben bereichert und meine Persönlichkeit stärkt. Und immer wieder wird mir auch klar, dass ich nicht nur die „islamische Religionslehrerin“ bin, aber auch eine Abla, Teyze, Yenge, Hodscha, Professorin, usw. …