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„Solange Sie keine bosnische Salafistin sind…“

 

Denkst du, dass wir trotz unserer Unterschiede zusammenleben können?

Jeden Tag begegnen wir in Wien vielen verschiedenen Menschen. Menschen, die sich durch ihre Kleidung, ihre Religion oder ihre Hautfarbe voneinander unterscheiden. Sie versuchen auf die verschiedenste Art und Weise ihren Platz in der Gesellschaft zu finden. Pluralität beschreibt eine Vielfalt in der Gesellschaft. Pluralität beschreibt eine übergeordnete, umfassende Vielfalt in der Gesellschaft und kennzeichnet die empirische Beobachtung der divergierenden Meinungen, Werte, Überzeugungen und Interessen innerhalb zeitgemäßer Gruppen, Gesellschaften und Staaten.

Mit Pluralismus geht auch immer öfter die Angst vor Neuem einher. Menschen haben Angst vor dem Unbekannten und lassen sich oft durch diese Angst beeinflussen. Wenn diese Angst dann auch noch von mehreren Menschen geteilt und von den Medien bzw. der Politik geschürt wird, kann sie zu gesellschaftlichen Veränderungen führen. Die Flüchtlingskrise ist dafür ein gutes Beispiel. Vorurteile und Stereotype haben nicht nur hierzulande einen Umschwung der Politik nach „rechts“ unterstützt.

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Amra Dedic (23), Master in Publizistik und Kommunikationswissenschaft, in Moskau aufgewachsen, bosnischer Herkunft und lebt seit 6 Jahren in Wien.

Die Idee dieses Videos war es, genau diese Ängste anzusprechen, die Vorurteile zu thematisieren und sich mit den Reaktionen der Gesellschaft auseinanderzusetzen. Ob Kopftuch, andere Kleidung oder Hautfarbe – alles, was anders ist und anders wirkt, wird oftmals als abschreckend empfunden. Umso spannender war es für mich, dieses Experiment durchzuführen.

Ich habe mich den möglichen Vorurteilen gestellt und mich unter anderem Frauen vorgestellt, die ein Kopftuch trugen. Natürlich bin auch ich nicht frei vom Einfluss gesellschaftlicher Erwartungen und so hatte ich im Vorfeld Bedenken, wie die Leute auf mich reagieren würden. Würden die Leute mit mir reden und meine Fragen beantworten oder kommentarlos weitergehen und mich ignorieren?

Jetzt kann ich sagen: Die Reaktionen waren unterschiedlich. Obwohl die meisten Personen die Frage „Denkst Du, dass wir trotz unserer Unterschiede gemeinsam in Wien leben können?” mit „ja“ beantworteten, war daran meist eine Bedingung geknüpft. Die Worte „solange“ und „aber“ bekam ich oft zu hören. Ich erinnere mich hier an einen Aussagesatz eines Passante:“Solange Sie keine bosnische Salafistin sind…“

Auf der Mariahilfer Straße habe ich die verschiedensten Menschen getroffen und festgestellt, dass Menschen mit Migrationshintergrund oft weniger Vorurteile haben. Folgendes habe ich beobachtet: Kinder sind meistens offen gegenüber allem, vermutlich, weil sie in ihrem Alter gerne Neuem begegnen und neugierig darauf reagieren. Jugendliche sind toleranter, aber einige lehnen alles, was neu oder anders ist, ab. Ältere Leute, die mehr Lebenserfahrung haben, sind toleranter. Aber auch nicht alle. Einige die wir getroffen haben, hatten sehr viele Sorgen über die Zukunft und, wie sich alles weiterentwickeln würde. Menschen, die selbst glücklich gewirkt haben, haben mich akzeptiert, ohne mich „komisch“ anzuschauen. Mehr dazu könnt ihr selbst im Video beobachten.

Ein Fazit aus dem Experiment habe ich gezogen: Ob du ein Kopftuch oder ein Kreuz um den Hals trägst, spielt keine Rolle. Es ist egal, wie wir uns kleiden und, ob wir unsere Religion nach außen hin repräsentieren oder nicht, was zählt ist der Mensch im Inneren. Menschen sind Menschen und Menschen bleiben Menschen.

Für mich war das Wichtigste an diesem Experiment, meine eigenen Vorurteile abzubauen. Als ich das Kopftuch aufgesetzt habe, habe ich mir Gedanken darüber gemacht, wie ich mich überhaupt verhalten soll. Schon nach kurzer Zeit waren aber alle Sorgen vergessen und ich habe die vorbeigehenden Menschen mit einem Lächeln angesprochen, so wie ich das auch ohne Kopftuch gemacht hätte. Ich habe genauso gesprochen, gelacht und mich so bewegt wie immer. Nichts an mir war anders. Meine Identität wurde nicht zu einer anderen, nur weil ich mich entschieden hatte, für dieses Experiment etwas an meiner Kleidung zu ändern. Das war für mich der Beweis, dass ein Kopftuch alleine nicht den Menschen definiert, der es trägt.

Und nun? Wie können wir lernen, mit Vorurteilen, gesellschaftlichen Verhaltensmustern und Zwängen von außen umzugehen? Eine pluralistische Gesellschaft trägt durchaus Konfliktpotenzial mit sich, doch sind die Chancen einer pluralistischen Gesellschaft gleichermaßen zu berücksichtigen und sogar in den Vordergrund zu stellen. Dies gilt es zunächst zu erkennen, um mit vereinten Kräften an gesellschaftliche Missstände ranzugehen.

Denkst du, dass wir trotz unserer Unterschiede zusammenleben können?

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