So spannend wie dieses Jahr war die Bundespräsidentschaftswahl noch nie! Bei der Stichwahl vergangenen Sonntag hat ein beachtlicher Teil der österreichischen Gesellschaft an der Wahl teilgenommen. Doch ein großer Prozentsatz tat es nicht: 30 %. Viele davon auch Muslime. Warum, frage ich mich. Aus Trotz, Unwissen, fehlendem Interesse,…?
Ich denke zurück an eine Begegnung mit einer Frau bosnischer Herkunft, die mir in einem Gespräch erklärte, warum sie nicht wählen geht. Sie sei Muslimin. Demokratie oder allgemein Politik sei mit dem Islam nicht kompatibel. Sie habe zwar die österreichische Staatsbürgerschaft, doch wählen würde sie nicht. Sie sei aber am überlegen, jetzt wählen zu gehen, da sich die “Muslime und Ausländer hierzulande in einer schwierigen Situation” befänden.
Hier kam sie zu einemKnackpunkt. Erst jetzt, wo es sie betreffe, sei sie am überlegen zu wählen. Die letzten 25 JahreihresLebensbetraf es sie also nicht? Eine Logik, die ich nicht nachvollziehenkann. Ob sie gewählt hat, weiß ich nicht.
Kurz vor der Wahl sprach ich mit meinem Nachbarn. Ein türkischer Familienvater, der seit 16 Jahren in Österreich lebt und arbeitet. “Morgen ist die Wahl, gehst du wählen?” – “Nix interessieren.”
Und warum nicht, wenn du die österreichische Staatsbürgerschaft hast? Weißt du überhaupt, warum du sie hast und was der Zweck dieser ist? Dachte ich.
Wahlberechtigt wäre seine Frau und die 17-jährige Tochter. Dass sie gewählt haben, bezweifle ich.
Wie viele habe nicht gewählt, obwohl sie die Möglichkeit dazu haben. Wo bleibt der Wille zur Selbstbestimmung und Beteiligung nicht nur am politischen, sondern zwangsläufig auch am gesellschaftlichen Geschehen? Warum verzichtet man freiwillig auf das eigene Recht?
Jetzt bleibt die Frage: Hätt´ ich doch wählen sollen?
30% haben es nicht getan.