Das Konzept des Säkularismus beinhaltet nicht Atheismus und pluralistische Gesellschaften bedeuten nicht gottlose Gesellschaften. (Karic)
Anfang des Monats organisierte das österreichische Außenministerium in Zusammenarbeit mit der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Bosnien-Herzegowina eine Islamkonferenz in Sarajevo, in der die Vereinbarkeit des Islams mit säkularen Systemen sowie Modelle und Traditionen des „europäischen Islams“ diskutiert wurden.
Ein bosnischer Islamwissenschaftler, Enes Karic, hat in Bezug auf „säkulare Gesellschaften“ festgehalten, dass diese grundsätzlich nichts Antireligiöses oder Antigöttliches bedeuten, sondern die Unparteilichkeit des Staates gegenüber der Religion und die Offenheit des Staates gegenüber Gläubigen und Nichtgläubigen zeige. Der traditionelle Islam kannte den Säkularismus als definierte soziale Orientierung nicht, so Karic, und noch vor hundert Jahren konnte dieses Resultat der Französischen Revolution unmöglich wie heute diskutiert werden. Und doch gebe es viele muslimische Theoretiker, unter ihnen der ägyptische Schriftsteller Taha Husain (gest. 1973), die ein positives Bild über säkulare und pluralistische Gesellschaften im Westen haben, wie Karic betont, denn „Säkularismus und Pluralismus schaffen Platz für eine freie Entwicklung der Menschen als Bürger“, die dabei nicht ihre Religion vergessen müssen, solange sie als säkulare Bürger handeln. Den Muslimen müsse beigebracht werden, dass die religiösen Prinzipien in modernen Gesellschaften nur eine moralische Gültigkeit als Stimme ihres Gewissens haben, wodurch aber in diesem Kontext der Religion die Möglichkeit eröffnet würde, „religiöser zu sein und viele Aktivitäten im Bereich der Gesundheit, der Medien, der Schulen und Universitäten zu entwickeln“. Das Konzept des Säkularismus beinhalte nicht Atheismus und pluralistische Gesellschaften bedeuten nicht gottlose Gesellschaften, so Karic.
Fikret Karcic, Experte für Islamisches Recht an der Universität Sarajevo, betonte die Wichtigkeit das staatliche Gesetz zu respektieren. Die Scharia sei ihm zufolge kein Gesetz sondern ein „normatives System“, das sich auf Individuen und nicht auf Staaten beziehe. Muslime müssten zwei Prinzipien akzeptieren, zum einen die Loyalität zum staatlichen Gesetz basierend auf dem Sozialvertrag (aqd) in westlichen Gesellschaften, und zum anderen die Weiterentwicklung des Islamischen Gesetzes.
Khalid El Abdaoui verwies auf der Konferenz darauf, dass die Bildungsfrage für den Islam im europäischen Kontext entscheidend sei und der kanonische Text in seiner ganzen Komplexität in Zukunft an den europäischen Universitäten unterrichtet werden müsse. Gleichzeitig seien die defensive Haltung gegenüber anderen Glaubensrichtungen sowie der exklusive Wahrheitsanspruch aufzugeben, denn dann könne der Islam zur sozialen und kulturellen Integration beitragen.
Weitere interessante Beiträge zur Konferenz:
- http://derstandard.at/2000045030671/Islamkonferenz-Suche-nach-europaeischem-Islam-am-Balkan
- http://derstandard.at/2000045162985/Konferenz-in-Sarajevo-Wie-der-Islam-im-saekularen-Staat-aktiv
Link zur Konferenz: