Nicht nur Nicht-Muslime haben ein vorwiegend negatives Bild von muslimischen Frauen, sondern auch viele muslimische Frauen von sich selbst.
Generell, wenn wir über die muslimische Frau sprechen, kommen viele Schlagworte hoch. Aus reiner Neugier, habe ich muslimische Freundinnen und Bekannte befragt, was ihnen in den Sinn kommt, wenn sie das Stichwort „Muslimische Frau“ hören. Nicht uninteressant sind folgende Schlagwörter erwähnt worden:
Frauenrolle, Kopftuch/Verschleierung, gegenseitige Vorurteile, Verunsicherung, fehlende Kommunikation, Sprachlosigkeit, Frauenrechte, Familie, Fatima Fehri, Malala Yousafzai, Benachteiligung, Frauen des Propheten Muhammed a.s., Islam, Arabische Länder, Burka, Arabische Revolutionen, Opfer männlicher Gewalt, Wissenschaftlerinnen, Ibtihaj Muhammed, Olympische Spiele, Khadidscha (1. Frau des Propheten), verwirrend, stolz, neugierig, treu, aufopfernd, warmherzig, ehrlich, verschlossen, schüchtern, traurig, unterworfen, ungebildet, schlecht angezogen, verschwitzt, Diskrepanz zwischen Gesellschaft und islamischen Werten, Rollenzuschreibungen, religiös traditionelles Frauenbild, Stereotypen in Medien.
Weiters habe ich nachgefragt, in welches Bild sie die Stichworte eintragen würden: ins positive, neutrale oder negative Bild. Dazu habe ich eine Tabelle erstellt.
Die Ergebnisse haben mich nicht schockiert, da sie mir bereits bekannt waren. Jedoch haben sie mich nachdenklich gestimmt, da nicht nur Nicht-Muslime ein vorwiegend negatives Bild von muslimischen Frauen haben, sondern auch viele muslimische Frauen von sich selbst. Ich denke, dass es viel verheerender ist, wenn das Selbstbild ein vollkommen destruktives ist, als wenn man von außen auferlegt bekommt, wie man wahrgenommen wird. Ein destruktives Selbstbild hindert Frauen, adäquat und eigenverantwortlich im Leben zu handeln, während man durch äußere Einflüsse unnötigerweise dazu gedrängt wird, ständig zu beweisen, dass man ja als Frau doch nicht minderwertig ist, was letztlich auch in Überheblichkeit umschlagen kann.
Die zweite Frage, die sich mir dann aufgetan hat, war jene, wie es so weit kommen konnte und ob die negativen Zuschreibungen fremd- oder eigenverschuldet sind. Was ich herausgefunden habe, ist, dass die muslimische Frau für viele als ideale Projektionsfläche dient. In diese Fläche kann man alles hineinfantasieren. Auf der einen Seite alle eigenen Frustrationen und Unzulänglichkeiten, die ein Leben als Frau, Mutter, Mann, usw. ausmachen oder aber als Illusionsträger für all jene, die eine muslimische Frau aus so einigen religiösen Kreisen idealisieren und instrumentalisieren wollen und somit schlussendlich missbrauchen.
Dabei ist zu beobachten, dass die muslimische Frau hinter den Zuschreibungen „unsichtbar“ gemacht wird und sie in all ihren Facetten ihres Daseins nicht gesehen werden möchte. Schon gar nicht will sie als geistiges und kreatives Wesen gesehen werden, weil sie damit Raum einnimmt. Einen Raum, der nicht mit ihr geteilt werden möchte, weil sie als Frau minderwertig und zweitrangig gesehen wird. Wir können diese Erkenntnis mögen oder nicht, sie ist jedoch eine Realität in muslimischen Kreisen, denn nirgendwo sonst wird das Thema rund um die Frau so häufig diskutiert wie in muslimischen Kreisen. Wo kein Diskussionsbedarf besteht, gibt es nichts zu bereden. Das ist eine schmerzhafte Erkenntnis, die sich viele muslimische Frauen nicht zugestehen wollen.
Der erste Schritt, um eine Bewusstseinsveränderung in einem selbst und somit in den Anderen zu bewirken, wäre, wenn sich die „muslimische“ Frau von allen Etiketten, die ihr vollkommen fremdverschuldet auferlegt wurden, selbst befreit, um frei leben zu können. Einzig die Frau kann sich selbst befreien. Dazu bedarf sie keiner speziellen Theologie, denn sie muss nicht immerzu „beweisen“, dass sie ein Recht auf Bildung, Freiheit und Wertschätzung hat. Es ist ihr angeborenes Recht, denn fremdverschuldete Zuschreibungen sind nicht ihr Schicksal. Ihr Schicksal liegt in ihren Händen, denn sie ist für ihr Leben eigenverantwortlich. Sie hat die Stärke und Kraft alles und jeden von sich zu weisen, der ihre Integrität mit Füßen tritt – ganz gleich von welcher Seite die Fußtritte kommen mögen.