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Weihnachten für die Muslim*innen, oder besser meine Weihnachten!

Ich kam genau an einem Abend des 24.12. vor einigen Jahrzehnten erstmals nach Europa. Es war mein erster Flug, mein erster Besuch in einem fremden Land  und meine erste Begegnung mit Menschen  anderen Glaubens. Wir fuhren mit einem schönen Auto durch die weihnachtlich geschmückte Stadt, die ich wie verzaubert, staunend, nur bewunderte. Solch einen Lichterschmuck hatte ich zuvor noch nie gesehen, geschweige denn eine Vorstellung davon gehabt. Ja, es war nicht nur Bewunderung, sondern irgendwie auch so etwas wie mein erster Kulturschock unter heller Beleuchtung. Ich kam eigentlich mit sehr düsteren Vorstellungen und Erwartungen. Man warnte mich vor einem dunklen, düsteren, betongrauen und unfreundlichem Land, in welchem man vor Langeweile dahinsiechen würde und was ich noch an horrenden Vorurteilen so mitbekam hatte ich alles im Gepäck. Aber all die zunächst vollkommen fremden Eindrücke strahlten im schönsten Lichterglanz und das machte die weihnachtliche Stadt gewiss nicht langweilig. Meiner ersten Begegnung mit einem christlichen Menschen folgte eine Einladung zum Essen und ich bekam sogar als junger Maturant ein Geschenk von einem Christen, vor dem man mich schon gewarnt hatte. Ich wusste nicht, dass Weihnachten war, da ich überhaupt nicht wusste, was Weihnachten war – und so war mein erstes Weihnachten erfüllt mit kindlichem Staunen, erfüllt von festlichen Gefühlen und eingehüllt in einem unerklärlichen Zauber, den das Neue ja immer so mit sich bringt, erst recht, wenn es in einem himmlischen Lichterglanz daherkommt. Diese Erinnerungen daran sind doch immer wieder sehr schön und sie prägten nachhaltig und entscheidend mein Denken und Handeln. Ich werde darauf zurückkommen, aber zuvor möchte ich noch Jesus zu Wort kommen lassen.

Nach dieser persönlichen Erfahrung kamen so langsam immer mehr Informationen über Weihnachten zusammen, dass z.B. Jesus an diesem Tag auf die Welt kam. In meinem kulturellen Umfeld wurde dieses Thema nie erwähnt, selbst wenn Jesus als „Isa“  mir schon  bekannt war, muss ich zugestehen, dass der christliche Jesus und selbst der Name, mir doch sehr befremdlich waren. Aber dieser Name nun musste mit dem koranischen Isa irgendwie in Einklang gebracht werden. Ich suchte das Vertraute im Fremden, weil Jesus nämlich eine entscheidende Persönlichkeit im Koran ist. Er ist der Sohn der Jungfrau Maria und kam mit klaren Beweisen als Geist und Wort Gottes auf die Welt. Der Heilige Geist offenbarte sich auch Maria, der Mutter Jesu, so steht es im Koran.  Und er verkündete ihr einen lauteren Jungen, Jesus (Koran Sure 19: 17-21). Somit ist er für die Muslime ein Gesandter Gottes, ein Prophet, der von Gott mit Wunderzeichen ausgestattet wurde. Er konnte mit Gottes Erlaubnis den Toten Leben einhauchen, Blinde und Aussätzige heilen, Gelähmte wieder gehen lassen und vieles mehr.  Jesus ist das Wort der Wahrheit, der Heilige Geist begleitete ihn und lehrte ihm die Weisheit aus Thora und Evangelium. Der Koran versteht Jesus auch als „gesegnet“ und seine Geburt wird als Zeichen der Barmherzigkeit für die Menschen gelobt. All diese einzigartigen Eigenschaften, die je einen Menschen auszeichneten, hatte noch nicht einmal Prophet Muhammed im Koran.

Man weiß sicherlich nicht, wann exakt er wirklich auf die Welt kam, aber nach all diesen Lobpreisungen im Koran versteht sich von selbst, dass die Geburt von Jesu eine besondere Stelle in der islamischen Tradition hat. Dabei könnte berechtigterweise die Frage erlaubt sein, ob die Muslim*innen Weihnachten feiern? Diese Frage kann man aus theologischer Perspektive mit „nein“ beantworten. Das hat verschiedene Gründe, weil beispielsweise die Muslime jüngst erst angefangen haben, die Geburt vom Prophet Muhammed zu feiern und hier und da werden nun auch persönliche Geburtstage ganz im westlichen Stil nachgefeiert. Bei 40 Grad Hitze backt man Sahnetorten für den Happy Birthday, und das in immer mehr Haushalten.  Sogar der Nikolaus bekommt hier und da ganz wage einen islamischen Pedant, man spricht vom Bayram Baba (türkisch= Fest-Vater) der rückwärts auf einem Esel sitzt und den belustigten Kindern die Geschenke bringt. Aber insgesamt spielten Geburtstage im kulturellen Gedächtnis der Muslime nie eine große Rolle. Die Hintergründe können unterschiedlich sein. Muslim*innen neigen mehr zu einer Kultur des Trauerns und religiöser Melancholie als einer Kultur fröhlicher Geburtstage. Möglicherweise hängt dies auch mit dem Alkoholverbot zusammen, also nicht feucht-fröhlich, sondern feucht-verweint und traurig.

So ist in Europa sicherlich auch eine neue Kultur für die Muslim*innen entstanden, so dass die persönlichen Geburtstage mehr gefeiert werden als in ihren Herkunftsländern und selbst dort langsam zunehmen an Popularität gewinnen. Konditoreien bieten schon Geburtstagstorten an. Davon haben die Propheten nun auch ihren Anteil abbekommen. In Österreich wird sogar der Geburtstag des Propheten von allen islamischen Organisationen gemeinsam gefeiert.

Weihnachten wurde schon längst Abseits der theologischen Debatten von den muslimischen Kindern wahrgenommen und sie sind ein Teil dieser Festlichkeiten an Kindergärten und Schulen. Sie kommen mit Fragen nach Hause und suchen Antworten. Damit ist Weihnachten schon ein Thema für die muslimischen Familien geworden und selbstverständlich für Moscheen und Bildungseinrichtungen.

Warum sollte es eigentlich religiös nicht vertretbar sein, den Geburtstag von Jesus gemeinsam zu feiern.  Der Geburtstag des Propheten Muhammed brachte viele islamische Vereine, die voneinander nichts wissen wollten, doch immerhin näher zueinander. Weihnachten könnte somit auch den interreligiösen Dialog mit einer neuen Kultur des gemeinsamen Feierns fördern und den sozialen Frieden in der Gesellschaft stärken. Vielleicht brauchen wir noch mehr Mut zum gemeinsamen Feiern. Ob sich die Kirchen oder Religionsgemeinschaften darüber Gedanken machen, weiß ich nicht. Ich weiß nur, dass nicht wenige muslimische Kinder Weihnachten mit ihren Freund*innen gemeinsam feiern.

Nun muss ich abschließend noch etwas über den Ertrag von meinem ersten Weihnachten sagen. Nach diesen ersten Erfahrungen mit Christen an jenem Weihnachtsabend meiner Einreise habe ich angefangen meine gesamttheologischen Kenntnisse über Christen*innen durch meine Begegnungen zu korrigieren. Ich habe über Weihnachten nicht aus Buchinformationen, sondern von meinen Freund*innen gelernt. Diese emotionalen Begegnungen waren für mich viel wichtiger als unzählige Bücher, die mir von wohlmeinenden Christen empfohlen wurden. Bis heute überfallen mich alle Jahre wieder gewisse freudvolle Anwandlungen bezüglich Weihnachten und ich freue mich auch, dass ich seit dem ersten Abend bis heute, auf wundervolle christliche Freundschaften zurückblicken kann.

Frohe Weihnachten. Gott möge unsere Gebete annehmen.

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