CEAI

O Allah, ich habe gesoffen

Der Alkoholrausch von gestern Abend kann nicht mehr rückgängig gemacht werden. Das schlechte Gewissen deswegen noch weniger. Und was folgt jetzt? Kommt man deshalb in die Hölle? Ist man deshalb ein schlechter Muslim? Und nicht zu vergessen, die Eltern dürfen das unter keinen Umständen mitbekommen. O Allah, ich habe gesündigt!
So in etwa geht es im Kopf eines muslimischen Jugendlichen vor, nachdem er oder sie Alkohol getrunken und vielleicht auch, wenn es nur für diesen Moment war, genossen hat. Dass der Alkoholkonsum im Islam streng verboten ist, weiß die Mehrheit der muslimischen Jugendlichen. Wie viele diesem Verbot tatsächlich standhalten, ist nur zu mutmaßen. Denn die Umstände, in welchen junge Muslime sich hierzulande befinden, sind sehr wohl zu bedenken. Ja, in Österreich stößt man gerne an. Egal, ob bei Firmenfeiern, Geburtstagsfeiern, Partys, Veranstaltungen festlichen Charakters, etc. Um das Glas Sekt kommt man nicht so leicht herum. Da stellt sich für den/die MuslimIn die Frage: Trinke ich mit?

 
Viele Jugendliche haben es gerade während der Pubertät oder ein wenig später auch, im Zuge des Erwachsenwerdens schwer mit der eigenen Religiosität. Die inneren Konflikte, das Hinterfragen der eigenen Werte, das Einordnen des Ichs in das Wir fangen nicht zuletzt beim Thema Alkohol an.
 
Laut Islam und etlichen Versen im Koran ist Alkoholkonsum streng verboten. Gleichzeitig ist aber zu erwähnen, dass das Alkoholverbot im Koran stufenweise stattgefunden hat und ein absolutes Verbot erst später durch die Offenbarung dargelegt wurde. So gibt es im Koran Verse, die nicht explizit auf ein Verbot von Alkohol hinweisen, sondern den Rausch verbieten oder nicht gutheißen. Hier zwei Verse, die sich auf das Alkoholverbot beziehen.
 
O ihr, die ihr Glauben erlangt habt! Versucht nicht zu beten, während ihr im Zustand der Trunkenheit seid, (sondern wartet,) bis ihr wisst, was ihr sagt.“ (4:43)
 
In Die Botschaft des Koran kommentiert Mohammad Asad (2009) “den Zustand der Trunkenheit“ so, dass einige Kommentatoren diese Verordnung als die erste Phase des völligen Verbots von Rauschmitteln ansehen. Diese erstmalige Verordnung wird dann später durch den folgenden Vers (5:90) „abrogiert“. Demnach sei die erste Verordnung gar überflüssig, zumal sie durch das später folgende Verbot in 5:90 aufgehoben wird.
 
Ihr Gläubigen! Wein, das Losspiel, Opfersteine und Lospfeile sind (ein wahrer) Greuel und Teufelswerk. Meidet es! Vielleicht wird es euch (dann) wohl ergehen.“ (5:90)
 
Das stufenweise Verbot ist unter anderem damit zu erklären, dass zu Zeiten des Propheten Mohammad s.a.s. Wein als berauschendes Getränk konsumiert wurde und sich die Menschen im Laufe der Offenbarung stufenweise an dieses Verbot gewöhnen sollten. Ein derartig stufenweises Verfahren heißt auch, dass Gott die Schwächen der Menschen so gut kennt, dass Er ihnen schrittweise ein Verbot erteilt. Solche Schemata sind in der psychologischen Praxis bekannt, wo es unter anderem darum geht, Menschen an etwas zu gewöhnen oder auch von etwas abzugewöhnen. Sensibilisierung oder Desensibilisierung kann auch bedeuten, einen Menschen von einer Phobie zu befreien, indem man ihn schrittweise an seine Angst annähert und durch stufenweises Antasten an das Objekt, Tier, etc. von Hemmungen und Stress ablöst.
 
Doch zurück zum Alkohol, der Gebrauch von Rauschmitteln sei zu jeder Zeit verboten, doch dienen die schrittweisen Verordnungen der Möglichkeit, sich im Falle des Fehltritts auf das Alkoholverbot zurückzubesinnen. In den U.S.A. gilt ein absolutes Alkoholverbot bis zum 21. Lebensjahr. Da hat es die muslimische Jugend einfacher. Man gönnt sich mal das Glas Wein, bereut seine Sünde und findet wieder den Weg zurück zu Vers 4:43, weil man doch nicht bereit ist für das absolute Verbot in Vers 5:90, und versucht es zumindest, sich bis zum absoluten Verbot hinzuarbeiten. Das Hinarbeiten ist oft ein Auf und Ab zwischen ich sündige und ich habe gesündigt.
Mal unter uns: Wie viele MuslimInnen halten sich tatsächlich an das Alkoholverbot?
Von Gras wird im Koran nicht gesprochen!
Einfallsreich ist unsere Jugend allemal, wenn es darum geht, Verbote möglichst geschickt zu umgehen. Kein Alkohol? Gut, dann greif ich halt zur Shisha oder, wenn das nichts hergibt, zum Joint. Die einen halten sich tatsächlich an das Alkoholverbot, doch finden sie leichten Ersatz durch andere Rauschmittel. Denn im Koran wird von Alkohol in expliziter Weise gesprochen, jedoch nicht von anderen Rauschmitteln wie Cannabis, Zigaretten, Wasserpfeifen, etc. Nur die wenigsten denken weiter. Ist nicht die Wirkung von Alkohol und die eines Joints ähnlich? Beides sind Rauschmittel, die auf das Bewusstsein und das Urteilsvermögen einwirken. Um die physikalische Beschaffenheit (flüssig oder gasförmig) des Mittels geht es hier weniger.
Wir Menschen sind gewiss kluge Wesen, oder? Wir haben für alles eine Ausrede, für alles einen Ersatz, für alles einen Plan B. Und für wen der ganze Aufwand? Die Suche nach Entschuldigungsgründen, heißt ja auch, dass wir selbst mit unseren Taten und Handlungen nicht zufrieden sind oder nicht dahinterstehen können. Vor wem rechtfertigen wir uns eigentlich? Vor den Eltern, dem Nachbar, der Community? Wo bleibt die Zufriedenheit mit sich selbst, mit dem eigenen Gewissen? Und , wenn Gottes oder Allahs Gesetze so wichtig sind und wir dagegen verstoßen, warum suchen wir  die Vergebung nicht bei Ihm, sondern schlagen uns mit unendlichen Entschuldigungs- und Rechtfertigungsgründen herum? 
Für die Grübler bleibt aber die Frage: Wie schwerwiegend ist nun das ein oder andere Glas Sekt? Warum, wenn man über das Verbot Bescheid weiß, greift man doch zum Alkohol? Ist es womöglich die menschliche Schwäche, Verboten nicht widerstehen zu können? Und, geh ich zur nächsten Firmenfeier?

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