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Verhüllungsverbot: Integrative Maßnahme oder Themenverfehlung?

Das Koexistieren in einer Gesellschaft erfordert für ein harmonisches Miteinander Toleranz, Akzeptanz, Solidarität und Integration. Lässt man vorerst die philosophische Frage außer Acht, ob man sich tatsächlich miteinander solidarisieren oder vielmehr auf Kosten des Anderen distinguieren möchte, sollte man die Frage stellen, welche Faktoren und Maßnahmen für die Integration überhaupt förderlich sein könnten? Auf gut Deutsch: Macht es ein Stück Stoff wirklich aus? Ist die Gesellschaft derart symbolisch ausgerichtet, dass man das Äußere als Maßstab für Adaption und Integration festlegt?

Um in diesem Kontext einen möglichst emotionslosen, sachlichen und aufgeschlossenen Diskurs aus einer Innen-und Außenperspektive heraus führen zu können, hat das Institut für islamisch theologische Studien der Universität Wien eine Veranstaltung, im Zuge derer ReferentInnen Standpunkte verschiedener Disziplinen vertreten und erläutern können, organisiert.

Theologische Sicht

Gehen wir erstmal zum Ursprung zurück, nämlich zur Religion, denn der Begriff Religion entstammt aus dem lateinischen Wort „religare“, was so viel wie „Ursprung“ bedeutet. Wie sehen die drei Weltreligionen aus theologischer Sicht das Thema „Verhüllung“?

Im Islam besteht zwischen den Gelehrten kein Konsens darüber, ob die Frau ihre Haare bedecken soll oder nicht. Im Koran wird der Terminus „Khumur“ (Singular „Khimar“) erwähnt. In Sure 24 Vers 31 fordert Allah die Frauen auf, ihre Schals über ihre Kleiderausschnitte zu schlagen. Dies impliziert, dass Frauen damaliger Zeit bereits eine Kopfbedeckung in Form eines Schals trugen, die sie bloß verlängernd über ihre Busen schlagen sollten.

Im Christentum herrscht kein „Dress-Code“ für Frauen. Es gilt allerdings in der orthodoxen und protestantischen Kirche die Vorschrift, dass Frauen ihre Haare während der Messe bedecken müssen. Die katholische Kirche hat diesen Canon 1983 annulliert.

Das Judentum blickt auf das Thema Verhüllung aus verschiedenen Perspektiven. Für den Mann beispielsweise löst eine Kopfbedeckung ein Gefühl kollektiver Einheit aus, oder es gilt als Zeichen der Bescheidenheit. Tragen Frauen hingegen eine Kopfbedeckung, signalisiert dies einen verheirateten Beziehungsstatus.

Man kann somit konstatieren, dass das Thema „Verhüllung“ aus theologischer Sicht verschiedene Zugänge aufweist, die Frage nach dem Wahrheitsgehalt sei dahingestellt…

Rechtliche Dimension

Inwieweit kann der Staat jedoch intervenieren und Maßstäbe dafür setzen, in welcher Form jedes Individuum seine Religion ausüben darf?

Es ist im Gesetzbuch verankert, dass jede gesetzlich anerkannte Religionsgesellschaft das Anrecht auf öffentliche Religionsausübung hat. Dem Staate steht allerdings die oberste Leitung und Verwaltung des gesamten Unterrichts-und Erziehungswesens zu. Bedeutet also, der Staat dürfte aus juristischer Sicht das Kopftuch an Schulen verbieten. Was möchte man aber damit erreichen? Stellt solch ein Verbot in der Tat eine integrative Maßnahme oder eine fatale und signifikante Themenverfehlung dar?

Die Idee an sich ist nicht unbedingt abwegig, denn junge muslimische Mädchen sollten ihr Haupt aus freiem Willen heraus bedecken und nicht weil das Elternhaus dies vorschreibt. Ein Verbot ist in diesem Sinne allerdings bloß das andere Extrem, denn religiöse Symbole sind eine Bildungsfrage und keine juristische Frage! Aufklärung und Präventionsarbeit bieten hierbei die nachhaltige und vernünftige Lösung…

Sollte solch ein Verbot in Kraft treten, wie wirke sich dies auf den Bildungsprozess gläubiger muslimischer Schülerinnen aus?

Es liegt auf der Hand, dass muslimische Mädchen aufgrund dieses Gesetzes zwischen dem Unmut der Eltern und der aus juristischer Sicht widriger Kleidung zwiegespalten sein wären. Produktivität, Motivation und Leistung würden jedenfalls darunter leiden. Dieses Verbot verdrängt somit nur das Problem, lösen tut es mitnichten! Möglicherweise betreibe man bloß Symbolpolitik, um mit spezifischen Anhängern auf Kosten anderer zu sympathisieren; dies sei auch dahingestellt…

Fazit

Aus der Veranstaltung geht summa summarum hervor, dass einerseits innermuslimisch dahingehend Bedarf besteht, dass man den Glauben im Lichte des Korans und der Sunna kritisch reflektieren und religiöse Bräuche hinterfragen müsse. Auf der anderen Seite hingegen wird die Notwendigkeit für solch eines interreligiösen Diskurses offenkundig und unumgänglich, sofern man sich wirklich verstehen und miteinander leben will…

Nachsatz

Am Ende soll erwähnt werden, dass wir uns ungemein freuen würden, wenn Ihr uns eure Meinung diesbezüglich teilen würdet! Wie findet Ihr solch ein Verbot? Gäbe es andere Maßnahmen? Gerne könnt Ihr uns ein Video oder kurzen Blog zuschicken: wird in Absprache danach veröffentlicht. Für ein Treffen sind wir auch stets offen. Wir sind nämlich sehr darum bemüht, eine Kommunikation mit Euch aufzubauen, der Austausch steht im Vordergrund…

Adnan Darwish, 21.01.2019

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