Oft diskutiert und mit allen möglichen Bedeutungen beladen – doch zu selten von den betroffenen Frauen. Was unsere Befragten mit dem Kopftuch verbinden, wie sich es auf ihre Spiritualität auswirkt und – warum sie es abgelegt haben;
CEAI: Warum hast du damals ein Kopftuch angezogen und wie alt warst du?
Merve*: Schon in der Volksschule war meine Mutter zwangsweise mein Vorbild. Nicht nur das Kopftuchtragen, sondern auch mein ganzer Kleiderschrank ging nach Ihren strengen Regeln.
Zahra*: Ich glaube mit 16 habe ich begonnen es zu tragen. Zu der Zeit war ich oft in einer Koranschule und durch meine Überzeugung wollte ich es unbedingt tragen.
Asma*: Ich habe mit 10 angefangen ein Kopftuch zu tragen, da in meinem Umfeld die meisten Frauen auch eins trugen. Meine Mutter, die ich als Vorbild genommen hatte, trug ebenfalls eines.
Mariam*: Ich wollte meinen Iman und meine Weise der islamischen Praktizierung vervollständigen. Zusätzlich wollte ich etwas Gesellschaftliches bewirken, wie ein positives Bild des Kopftuches zu vermitteln, während das Kopftuch heiß diskutiert ist. Ich war 17 Jahre alt damals.
CEAI: Was waren die Gründe dafür, dass du es abgelegt hast und was hast du danach gefühlt?
Merve: Bis ich 27 wurde habe ich mich nie gefragt, ob ich das eigentlich tragen will. Als ich mal eilig am Morgen meine Kinder in den Kindergarten bringen wollte bin ich drauf gekommen und habe mich gefragt, ob ich das überhaupt will. Es wurde umso schwieriger das Kopftuch zu binden. Ich hatte mich nur all die Jahre selbst dazu gezwungen. Also hab ich es am nächsten Tag abgelegt und fühlte mich so, als hätte sich nichts geändert, als hätte ich schon immer kein Kopftuch getragen. Ich habe das Gefühl gehabt, von einer schwierigen Last befreit zu werden. Da wusste ich, es war eine richtige Entscheidung. Es ging mir auf jeden Fall nicht ums Aussehen. Ein Kopftuch macht eine Frau nicht schlecht Aussehend.
Zahra: Ich denke, wenn man das Kopftuch trägt, repräsentiert man eine Religion und deshalb sollte man auch auf sein Benehmen achten. Irgendwann habe ich gemerkt, dass mein Verhalten nicht zu meinem Kopftuch passt und habe mich auch nicht passend zu meinem Kopftuch angezogen. Lange Zeit habe ich im Kopf gehabt, es abzulegen, weil ich es nach einer Zeit nur mehr aus Gewohnheit getragen habe. An dem Tag als ich mich getraut habe ohne dem Kopftuch hinauszugehen, habe ich das Gefühl gehabt, dass mich jeder anschaut und, dass jeder weiß was ich getan habe.
Asma: Mit der Zeit habe ich einfach gemerkt, dass Menschen mich anders angesehen haben und direkt ein falsches Bild von mir hatten. Nachdem ich es ausgezogen habe, war es natürlich ungewohnt und anders für mich. In der Öffentlichkeit habe ich mich am Anfang sehr unwohl gefühlt, aber mit der Zeit habe ich mich daran gewöhnt.
Mariam: Es gab vielerlei Gründe, weshalb ich es abgelegt habe. Ich bin daraufgekommen, dass meine Ziele nicht realisierbar sind und, dass die Realität mit einem Kopftuch herausfordernder ist, als ich es mir gedacht habe. Zudem bin ich daraufgekommen, dass ein Kleidungsstück nicht dazu beigetragen hat, meinen Iman zu stärken. Daher hatte das Kopftuch für mich offensichtlich nie einen spirituellen Wert, sondern mehr einen gesellschaftlichen, denn wenn man praktizierende Muslima ist, soll man doch das Kopftuch tragen. Als ich es abgelegt habe, hatte ich spirituell nichts gespürt. Zu dieser Zeit glaubte ich nicht mehr, dass der allmächtige Gott extremen Wert auf mein Aussehen legt. Es war mehr die gesellschaftliche Sorge, die ich in der Zeit, in der die Gedanken aufgetaucht sind, gehabt habe.
CEAI: Was hatte das Kopftuch für eine Bedeutung damals für dich, im Vergleich zu heute?
Merve: Damals hatte das Kopftuch die Bedeutungen, welche meine Mutter dafür hatte. Meine eigene Meinung hatte ich nicht dazu. Mein Rat an alle, die das Kopftuch tragen oder ablegen wollen. Wir tragen das Kopftuch nicht, sondern es trägt uns. Also wenn diejenigen wirklich daran selbst glauben, stolz sein können und das Kopftuch auch richtig tragen können, sollen sie es auf jeden Fall tun. Das verdient dann Respekt.
Zahra: Von der Bedeutung her hat es heute dieselbe wie damals. Ich betrachte es heute anders.
Asma: Damals habe ich es aus Überzeugung getragen, aber mit den Jahren war es für mich eher eine Last als eine Erleichterung, wie es eigentlich sein sollte. Menschen haben mich beleidigt, teils bespuckt.
Mariam: Es war etwas Schönes. Heute ist es immer noch etwas Schönes, allerdings trage ich es nicht mehr jeden Tag mit mir 😊
CEAI: Hat sich das Anziehen bzw. dann wieder Ablegen auf deine Religiosität bzw. Spiritualität ausgewirkt?
Merve: Mein Anziehen hat sich geändert aber meine Religion nicht. Außer meinem Aussehen hat sich nichts geändert.
Zahra: Ich muss sagen, als ich bedeckt war, habe ich mich sicherer und frommer gefühlt, weil man mich nicht wirklich angeschaut hat. Gleich nach dem Ablegen habe ich mich von der Religion sehr distanziert. Doch nach einiger Zeit habe ich wieder zurück gefunden.
Asma: Würde ich jetzt nicht so sagen, habe mir meinen Glauben immer noch beibehalten, das Ablegen hat nichts daran geändert. Natürlich war ich dann offener für neue und andere Erfahrungen.
Mariam: Ja, ich habe mich beim Anziehen vervollständigt gefühlt und war sehr selbstsicher. Beim Ablegen hat sich daran allerdings nichts geändert.
CEAI: Wie würdest du reagieren, wenn eine Person ein Kopftuch tragen möchte oder es ablegen möchte und mit diesem Gedanken dich nach Rat fragt?
Merve: An alle die es ablegen wollen: Ihr sollten euch nicht länger dazu zwingen oder von anderen kommandieren lassen. Es ist ein Zeichen, dass noch nicht die Zeit dafür ist. Lasst euch weder von Familie oder Freunden sagen, wie ihr euch bedecken solltet.
Zahra: Man muss sich wirklich die Frage stellen, warum will das Kopftuch tragen. Was ist der Sinn dahinter? Geht es in der Religion wirklich nur um die Bedeckung der Haare? Oder ist es doch mehr? Denn ich bin der Meinung, dass es wichtiger ist, den Körper zu bedecken, als die Haare. Das sage ich, weil ich viele Kopftuchträgerinnen kenne, die nur ihre Haare bedecken und sonst sehr wenig vom Körper.
Asma: Viel könnte ich nicht sagen, jeder muss es für sich selbst entscheiden, wenn er glaubt er sei bereit ein Kopftuch zu tragen oder es abzulegen, sollte er es tun.
Mariam: Zuhören. Verstehen und auf die Gedanken und die Bedürfnisse des Gegenübers konzentrieren.
*Merve, 27 Jahre alt, zweifache Mutter
Zahra, 24 Jahre alt, Studentin – Name wurde auf Wunsch geändert
Asma, 19 Jahre alt, Schülerin – Name wurde auf Wunsch geändert
Mariam, 23 Jahre alt, Angestellte – Name wurde auf Wunsch geändert