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Unterstützt eine “übertriebene” Berichterstattung die Ziele der Dschihadisten?

24. Oktober 2016, Hörsaal 47 der Hauptuniversität Wien: Ich hörte mir den Vortrag von Prof. Dr. Jürgen Manemann an, der am Forschungsinstitut für Philosophie in Hannover lehrt. Der Vortragstitel lautete: „Dschihadismus als aktiver Nihilismus – Warum ziehen junge Europäer in den Krieg?“

Ohne hier den gesamten Vortrag wiederzugeben, möchte ich in aller Kürze die Eckpunkte des Vortrages überblicksmäßig darstellen, um anschließend einen wesentlichen nichtswasimlebenAspekt aufzugreifen. Zum einen wurden einzelnen Deutungsweisen des Dschihadismus (Diabolisierung, Religionisierung, Soziologisierung, Ethisierung) vorgestellt, die in ihrer jeweiligen Interpretation junge Europäer deshalb anzieht, weil sie den Dschihadismus als Therapie für Gefühle der Leere, Lebenssinn- und Hoffnungslosigkeit in den westlichen Gesellschaften erkennen und für sich entdecken, in den allermeisten Fällen hingegen ohne jemals wirklich gläubig gewesen zu sein.

Zum anderen stand die Verbindung dieses Phänomens mit dem „aktiven Nihilismus“ im Fokus des Vortrages, wonach der Nihilismus als willentlicher Akt zur Radikalisierung und zur Opferung des eigenen sowie fremden Lebens führt und Empathieunfähigkeit, Hass und blinde Gewalt produziert. Diesbezüglich wurde auch auf Friedrich Nietzsches Zitat eingegangen:

“Ein Nihilist ist ein Mensch, welcher von der Welt, wie sie ist, urteilt, sie sollte nicht sein, und von der Welt, wie sie sein sollte, urteilt, sie existiert nicht.”

Allerdings stellte Prof. Manemann klar, dass der zweite Teilsatz dieses Zitats für europäische Dschihadisten nicht zutrifft, da sie von der Welt, wie sie sein soll, urteilen, sie existiere – in ihren Köpfen – sehr wohl. Wie auch immer diese Welt in ihrer psychischen Not und ihrer bereits habitualisierten Wut und Gewalt aussehen soll, scheint es meines Erachtens so, dass die Strategie der äußerst gewaltbereiten europäischen Dschihadisten, ihre Feinde durch unvorhersehbare Anschläge in Angst, Furcht und Schrecken zu versetzen, vollends aufgeht. Diese Strategie drückt ein deutscher Dschihadist, dessen Namen keine Aufmerksamkeit verdient, in einem Interview mit Jürgen Todenhöfer wie folgt aus: „Wir gewinnen durch unseren Gott und durch die Furcht in den Herzen unserer Feinde!“

Gerade diesen Aspekt möchte ich herausgreifen, wenn man sich bewusst wird, dass ein Ziel der Täter laut Prof. Manemann folgendes ist:

„Der Täter möchte viel Aufmerksamkeit auf sich ziehen.“

Mein erster Gedanke: Diese Aufmerksamkeit bekommen Dschihadisten heute durch eine äußerst umfangreiche Berichterstattung verschiedenster Medien. Oft wird tagelang über einen Anschlag berichtet, monatelang darauf zurückgegriffen und jahrelang im kollektiven Bewusstsein verankert. Wer war der Täter? Wo wohnte er? Wie ist er aufgewachsen? Wie sah sein Umfeld aus? Welcher Gruppierung gehörte er an? Diese und viele weitere Fragen bringen dem Täter die Aufmerksamkeit, die er sich wünscht, erhofft bzw zum Ziel gemacht hat. Der Täter wird durch die Beschäftigung mit seiner Person und die dahinterstehende Organisation durch die Zuordnung zu einer islamistischen Terrororganisation der Gesellschaft präsentiert, die Furcht und Unsicherheit vor solchen Tätern, vor solchen Organisationen und vor dem Islam im Generellen wird größer. Gleichzeitig aber will die Gesellschaft – vollkommen zu Recht – darüber informiert und aufgeklärt werden.

Hier gerät man als aktiver Medienkonsument und Verfechter der Meinungs- und Pressefreiheit in ein Dilemma. Ein Dilemma, in dem die Frage erlaubt sein muss, ob eine „übertriebene“ Berichterstattung und Hochstilisierung von Dschihadisten nicht erst recht ihrer Strategie entspricht und ihnen ermöglicht, ihr Ziel zu erreichen, nämlich Angst, Schrecken und Furcht zu schüren, auf dass die Gesellschaft sich weiter spaltet und der Nährboden für künftige Dschihadisten geboten wird.

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