Im Rahmen einer Online-Umfrage haben wir 37 junge Muslime und Musliminnen aus Wien nach ihren Erfahrungen mit dem islamischen Religionsunterricht befragt. Uns hat interessiert, ob sie sich bei den Lehrpersonen aufgehoben fühlen, ihrer Neugier mit offenen Ohren begegnet wird und welche Verbesserungen sie sich für den Unterricht wünschen.
CEAI: Wie fühlst du dich im islamischen Religionsunterricht?
Aisha*: Es ist ein sehr schönes Gefühl über die eigene Religion zu lernen, vor allem, weil wir in Österreich leben und die meisten nicht die ausreichend religiös ausgestattet sind.
Samra*: Recht wohl, vor allem, wenn man etwas dazulernt. Es weckt auch mein Interesse zu hören wie andere Sichtweisen lauten.
Munira*: So lala.
Jannah*: Meist gut aufgehoben
Salima*: In der Unterstufe waren die Stunden eher “Freistunden”. Wir waren im EDV Raum und konnten machen was wir wollen während der Professor sich anderweitig beschäftigt hat.
Zuleyha*: Oft fühle ich mich verwirrt.
Habiba*: Ich habe mich sehr wohl gefühlt und konnte sehr vieles für das Leben mitnehmen
CEAI: Gibt es Fragen, die du dich nicht traust du stellen? Gibt es Tabu Themen, die nicht angesprochen werden? Wenn ja, welche?
Aisha: Nein.
Samra: Eigentlich frage ich schon alles was ich wissen wollen würde.
Munira: Nicht bestimmte Themen, aber es fiel mir manchmal schwer die Dinge zu hinterfragen aus Angst vor Verurteilung von meinen Mitschülern. Außerdem wurde man sofort unter die Lupe genommen von der Schule, wenn man mal nicht einer Meinung war mit dem Religionslehrer.
Jannah: Das Thema Jihad ist meist ein Tabuthema, weil es bei der westlichen Kultur an Definition mangelt und es deshalb versucht wird zu vermeiden, obwohl nichts Verwerfliches bei der *eigentlichen* Bedeutung ist
Salima: Nein.
Zuleyha: Ja, vor allem über Sexualität. Das ist einer der wichtigsten Themen, die wir nie darüber besprechen und nicht trauen zu fragen, ohne dass man komische Reaktionen bekommt.
Habiba: Ja, Fragen zu Alkohol oder Drogen, weil man Angst vor Vorurteilen hat und Tabu Themen sind Sexualität, vorehelichen Beziehungen und kontroverse Fragen, die Anti islamisch formuliert sind oder klingen.
CEAI: Warst du je schockiert von Aussaugen deiner Lehrperson? Was war/en die Aussage/n?
Aisha: Eine Professorin hat mal gemeint, dass es erlaubt sei, dass man als Muslim zum Schulball geht. Dabei hat sie nicht gedacht, dass man dort nur harame Dinge machen kann oder überhaupt an einem Ort ist, wo Leute saufen etc. Dass wir in Österreich leben, macht keinen Unterschied, dass es haram ist, sich an solchen Orten zu aufzuhalten.
Samra: Schockiert war ich bei der Aussage das Musik nicht haram sei. Wobei ich immer noch nicht ganz verstehe wie das gemeint war, weil ich immer davon ausging das es nicht erlaubt ist. Wie es aber ist weiß ich um ehrlich zu sein immer noch nicht.
Munira: Ich war einmal verwirrt und schockiert, als ein Lehrer authentische Hadithe ablehnte, mit der Aussage „es sei nicht der Quran“
Jannah: Einige ja, aber die möchte ich nicht benennen.
Salima: Ja! “Ihr müsst eure Frauen kontrollieren.” “Sie immer unter eurer Hand halten.”
Zuleyha: Oft.
Habiba: Ich war nie schockiert, weil es nie Aussagen kam, die dazu führen konnten.
CEAI: Was würdest du am islamischen Religionsunterricht ändern wollen?
Aisha: Dass man nicht nur auf die aktuellen Themen eingeht, sondern auch mehr vom Leben des Propheten.
Samra: Das man vielleicht auf Themen eingeht wie: Religion heute in der Gesellschaft. Wie geht man mit Provokationen um.
Munira: Mich hat es am meisten gestört, dass uns im Unterricht eingeredet wurde, dass bestimmte Dinge (z.B. Konzerte besuchen, Ouija-Bord spielen, usw.) erlaubt seien. Das liegt denke ich daran, dass die Lehrer nicht als „radikal“ abgestempelt werden möchten und sich auf eine Art und Weise anpassen wollen, obwohl sie eigentlich wissen, dass das was sie sagen nicht unbedingt wahr ist
Jannah: Der Umgang mit dem, was man nicht kennt. Probleme die die Jugend heutzutage hat, nicht zu ignorieren, tabuisieren, usw. Das Lesen von islamischen Lektüren mit Kommentare des Lehrers. Es ist so wichtig, den Jugendlichen klar zu machen, wieviel Gedankengut in den Sätzen der Gelehrten, wichtige Personen steckt. Eine Bereicherung für beide Seiten.
Salima: Die Ausbildung der Professoren. Es sollte egal sein aus welcher Gemeinde sie kommen (Milli Görus, Atib…) Wichtig sollte sein was für eine Ausbildung sie genossen haben! Unser Prof. hatte die HTL besucht und durfte an der AHS unterrichten. Keine offizielle islamische oder pädagogische Ausbildung!
Zuleyha: 1. In der Volkschule und Unterstufe sollte es fixen Themen geben, auch wenn jedes Jahr ein/e neue/r Religionslehrer/In kommt. Wir sollen nicht jedes Jahr immer wieder dieselben Themen besprechen.
2. In der Oberstufe mehr über die Themen reden, über die die Schüler*Innen wissen wollen. Man braucht da keine fixen Unterrichtsthemen, sondern besser am Anfang des Schuljahres abstimmen, was wir in der Schule unterrichtet werden wollen. Viele gehen zum Islamunterricht, um das lernen zu können, was uns zuhause nicht beigebracht wird, wie z.B. Tabuthemen
3. Mehr über Stereotypen sprechen, die wir zuhause oder von unseren Kulturen gelernt oder gesehen haben. Über Jungfernhaut, Geschlechtsverkehr, Sexualität, Aufgabe von Mann und Frau in der Ehe, welche Rechte Frauen im Islam haben, was für eine Bedeutung Liebe im Islam hat. Es gibt sehr viele Hadithen über diesen Themen, die viel Positives beitragen können.
4. Mehr über Frauen im Islam reden, die eine große Bedeutung in unserer Religion haben. Welche Rechte haben Frauen, die auch kein Mann oder Vater ihnen nehmen darf.
Habiba: Tabu Themen ansprechen und kontroverse Fragen mit den Lernenden ausarbeiten und diese aufklären.
CEAI: Welche Themen fehlen dir im islamischen Religionsunterricht?
Aisha: Z.B.: Beweise mit Beispiele, dass es ein Jenseits gibt oder der Sinn für die Erschaffung…
Samra: Wie gesagt Religion in dieser Gesellschaft und wie man mit Provokation umgeht.
Munira: Alltägliche Themen wie das Beten z.B. wieso ist das Beten so wichtig, das Spenden usw. Ich finde solche fundamentalen Dinge sollten uns so früh wie möglich nah gebracht werden.
Jannah: Wie habe ich meine Mitmenschen zu behandeln (Ob Muslim oder Nichtmuslim)? Was möchte der Islam in einer Gesellschaft bezwecken, was möchte er individuell bezwecken? Wie könnte es aussehen, wenn wir den Islam nicht hätten? Welche Stellung gibt die Jugend der Religion und wie kann man daran arbeiten? Wie gehe ich mit Konfrontationen in Österreich um im Einklang mit meiner Religion? Welche Fragen die ich mir stelle, die meine Religion angehen sind normal und über welche Fragen sollte ich mir Sorgen machen, bzw. mehr Wissen aneignen?
Salima: Frauenrechte, Stellung der Frau im Islam, Islam im heutigen Europa.
Zuleyha: Sexualität (mit Hadithen), Kultur ≠ Religion (vertiefend und mit Hadithen), Frauen in Islam, Ehe (vertiefend), Liebe, Geschichten über die wichtigen Frauen in Islam.
Habiba: Wie bereits erwähnt Tabu Themen und eventuell je nach Schulstufe die Ehe und das -leben sowie Rechte und Pflichten eines Mannes und einer Frau in der Ehe. Außerdem die Stellung der Frau im Islam.
CEAI: Findest du den islamischen Religionsunterricht wichtig? Warum?
Aisha: Ja der Unterricht ist für die Grundbasis sehr wichtig, insbesondere, wenn in der Familie nicht viel beigebracht wird.
Samra: Je nachdem, natürlich ist er wichtig, jedoch finde ich muss man ihn nicht besuchen um anerkannt zu werden als Muslima oder Muslim. Je nachdem, wie die Person ist sollte sie es für sich selbst entscheiden aber meiner Meinung nach schadet es nie!
Munira: Ich finde es wichtig, dass man sich über seine Religion informiert und sich Wissen dazu eignet. Ich denke aber, dass das besser klappt, wenn man sich außerhalb der Schule irgendwo anmeldet z.B. ein Verein, Kurs oder in der Moschee. Das habe ich selber gemacht und finde den Unterricht besser als an den Schulen.
Jannah: Ich finde den Religionsunterricht wichtig, weil wir täglich mit so viel konfrontiert werden, dass wir kaum Zeit haben in Uns zu kehren, über unsere Religion nachzudenken, mit Menschen zusammen zu sitzen, die im Prinzip dasselbe Ziel haben wie du ist was Schönes. Dieses Gemeinschaftsgefühl lässt Platz Fragen stellen zu können, was man seine Eltern so nicht fragen würde. Natürlich nur, wenn das Lehrpersonal dieses Gefühl weitergibt.
Salima: Ja
Zuleyha: Ich finde es sehr wichtig, da wir im islamischen Religionsunterricht lernen können, was uns Zuhause nicht beigebracht wurde. Wir könnten unseren Horizont erweitern und offener sein. Wir würden realisieren, dass unsere Kulturen das Bild unserer Religion zerstören. Wir können lernen, dass Mann und Frau gleich wichtig sind im Islam.
Habiba: Ja, weil die Religion zu der Identität des Menschen gehört und wenn dieser Teil fehlt, entsteht oft Identitätsstörung oder sogar psychische Probleme. Die Religion gibt vor allem in den schweren Zeiten einen Halt im Leben
Dieser Beitrag dient zur Ergänzung des vorherigen Beitrags:
https://ceai.univie.ac.at/2021/03/18/mundiger-glaube-mission-impossible-1/
Es wurden auch männliche Interviewpartner befragt, doch aufgrund der zu kurzen Antworten wie; ja, nein, manchmal, vielleicht, wurden diese ausgelassen.
*Die Namen der Interviewpartner wurden geändert.