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Von der Türkei nach Wien – in nur 9 Minuten! Exklusiv mit der U1

Dass die Wiener Linien einiges drauf haben ist bekannt, doch eine U-Bahn Fahrt von der Türkei nach Wien ist dann doch was neues.

Ob das als Humor oder Rassismus verstanden wird, welche Konsequenzen solche Aussagen vielleicht haben können und wie sowas in Kindesohren klingen könnte erfährt ihr hier!

CEAI: Was hältst du von der Durchsage des U-Bahn-Fahrers: “Willkommen bei Ihrem Flug von der Türkei nach Wien”?

Zeynep*: Also wäre ich in der U-Bahn, hätte ich wahrscheinlich gelacht, weil ein bisschen Wahrheit steckt da schon dahinter. Es kommt aber natürlich auf den Ton des Fahrers an. Ich denke so eine Aussage muss nicht unbedingt rassistisch gemeint sein.

Abdulkadir*: Als ein in Deutschland gebürtiger Türke mit 10-jähriger Erfahrung in Wien kann ich sagen, dass es in Wien in Sachen Diskriminierung viel häufiger kommt als wie in Nürnberg. Damit ich zum Vorfall etwas sagen kann, müsste ich den U-Bahn-Fahrer fragen; wieso, warum und weshalb er es nötig hatte, so etwas zu sagen?

Kamilya*: Ich bin bei solchen gesellschaftlichen Vorfällen immer übervorsichtig und nehme mir Zeit, bevor ich über sie urteile. Ich muss zuerst reflektieren und recherchieren ob bestimmte Ereignisse oder Botschaften problematisch sind oder nicht.

Erfahrungsgemäß sind viele zuerst harmlos erscheinende Namen oder gesagte Statements doch im Kern problematisch. Ich habe beispielsweise vor Jahren nichts Falsches an der Bezeichnung „Mohr“ gesehen. Man genießt ein „Mohr im Hemd“ oder geht an die „Mohren Apotheke“ vorbei ohne sich was zu denken. Doch je mehr man sich weiterbildet desto eher sensibilisiert man sich und sieht dann auch plötzlich den historischen Kontext und den diskrimminierenden Aspekt.

Ich möchte damit klarmachen, dass man bestimmte Aussagen genauer unter die Lupe nehmen soll und auch von einer anderen Perspektive das Ganze beleuchten soll. Genau das habe ich bei der oben erwähnten Causa gemacht und musste feststellen, dass ich als Person mit Migrationshintergrund von der Aussage nicht empört war. Ich habe eigentlich lachen müssen und sehe darin den allbekannten Wiener Schmäh, bin aber auch bereit des besseren belehrt zu werden, wenn jemand darin etwas problematisches sieht.

Lisa*: Ich denke, dass es eine sehr unüberlegte Aussage des Fahrers war. Ich habe viele Freunde mit Migrationshintergrund, welche auch eine solche Aussage tätigen würden und darüber lachen, aber in Anbetracht dessen, dass dies von einem Fahrer einfach so in den “Raum” geworfen wurde, finde ich es sehr unangebracht. Ich kann mir vorstellen, dass wenn einen diese Aussage betrifft, es ein sehr unangenehmes Gefühl ist, da es abwertend klingt und auch sicherlich so gemeint war.

CEAI: Welche Konsequenzen wünschst du dir für den U-Bahn-Fahrer?

Zeynep*: Ist es aber in einem abwertendem Ton ausgesprochen und die Absichten des Fahrers sind rassistisch, ist das natürlich was anderes. Das sollte dann mit den entsprechenden gesetzlichen Folgen gehandhabt werden.

Abdulkadir*: Ich würde den U-Bahn-Fahrer einen MPU-Test* auffordern, wenn er keinen tatsächlichen Grund dafür hat.

Kamilya*: Ehrlich gesagt: gar keine. Ich würde mir eher Sensibilisierung auf einer breiten Masse wünschen. Ich glaube wir benötigen allgemein als Gesellschaft noch ganz viel Aufklärung. Ich höre von Freunden, dass einige Großeltern noch immer nach dem Stolpern „da liegt ein Jude begraben“ sagen. Sowas darf es im 21. Jahrhundert nicht geben und dafür muss es Maßnahmen geben. Ich möchte nur klar machen, dass viel allgemeine Aufklärungsarbeit noch nötig ist. Was darf ich sagen und was ist beleidigend.

Lisa*: Ich fände es nicht richtig jemanden aufgrund einer solchen Aussage sofort zu kündigen, jedoch würde ich meinen, dass dieser Angestellte eine Zeit lang in den Innendienst/eine andere Abteilung versetzt werden sollte. Man sollte ein ernsthaftes Gespräch führen und ihn fragen was ihn dazu verleitet hat so etwas zu sagen und dann abwägen welche langfristigen Konsequenzen dies haben sollte.

CEAI: Was denkt sich wohl ein Kind, welches im 10. Bezirk lebt, wenn es so etwas hört? Und welche Konsequenzen haben solche Aussagen für die Gesellschaft?

Zeynep*: Ausgehend davon, dass es eine rassistische Aussage ist, wie das in den Medien auch dargestellt wird, weiß ich gar nicht, ob sich Kinder der politischen Debatte rund um den Bezirk Favoriten bewusst sind. Falls ja, wird das möglicherweise Gefühle des Mobbings in einem Kind aufrufen. Eine bereits gespaltene Gesellschaft wird durch solche Aussagen weiter gespaltet und das auch für Personen in jungem Alter. Dann wird es wieder heißen: „aber warum integrieren sich die Leute nicht?“ Na warum wohl?

Abdulkadir*: Für manche Kinder kann sich das zu einem Trauma umwandeln und sie werden sich von der Gesellschaft ausgeschlossen fühlen. Solche Aussaugen haben unter einem Multi-Kulti-Dach nichts verloren, ansonsten hetzt sich das Ganze hoch und es kommt zu schlimmen Auseinandersetzungen.

Kamilya*: Ich glaube Kinder nehmen, als unschuldige Wesen, sowieso vieles nicht so wahr, wie wir es wahrnehmen. Ich glaube nicht, dass das jetzt ein riesiges Eklat war. Deshalb wird es höchstwahrscheinlich keinen Effekt in der Gesellschaft geben. Aber ich freue mich jedesmal wenn der Rassismus-Diskurs in der Gesellschaft Platz findet – denn er ist ein wichtiger.

Lisa*: Ich glaube nicht, dass ein Kind speziell auf diese Aussage hört. Ich weiß nicht wie viel Wertung Kinder in so eine Aussage legen. Natürlich ist es nicht schön wenn sich ein Kind aufgrund der getroffenen Aussage schlecht fühlt, aber ich denke da wäre es dann die Pflicht der Eltern sachlich darüber zu sprechen warum Menschen so etwas machen bzw. sollten diese Themen auch in der Schule zur Sprache kommen und behandelt werden.

  • * Medizinisch-Psychologische Untersuchung
  • * Zeynep, 23 Jahre alt, Studentin und Angestellte
    * Abdulkadir 29 Jahre alt, Angestellter
    * Kamilya, 22 Jahre alt, Studentin – Name wurde auf Wunsch geändert.
    * Lisa, 26 Jahre alt, Angestellte – Name wurde auf Wunsch geändert.

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